No. 32 – LIEBE

Menschen

Ewald Arenz: Gefühle altern eben nicht

Die Liebe spielt in allen Romanen von Ewald Arenz eine wichtige Rolle. In seinem Buch „Die Liebe an miesen Tagen“ verliebt sich die nicht mehr ganz junge Clara in den zehn Jahre jüngeren Elias. Seine Lektorin sei erst mal skeptisch gewesen, sagt Arenz im Videointerview. Aber er ist überzeugt: Auch mit 78 Jahren fühlt sich Verliebtsein noch an wie mit 18.

Lesedauer ca. 6 Minuten

Der Schriftsteller Ewald Arenz schreibt gerne Liebesgeschichte.

Ewald Arenz wurde 1965 in Nürnberg geboren. Er lebt in der Nähe von Fürth, hat drei Kinder und arbeitet als Lehrer für Englisch und Geschichte an einem Gymnasium. Arenz ist einer der produktivsten und erfolgreichsten Schriftsteller in Deutschland.

Das Liebespaar in "Die Liebe an miesen Tagen" ist schon etwas älter. Was interessiert Sie an so einer Geschichte?

Einer der Ausgangspunkte für mich war ein Partygespräch mit einer, wie ich fand, sehr attraktiven Frau in ihren 50ern. Sie sagte, dass Frauen ab einem bestimmten Alter unsichtbar werden und auf dem Partnerschaftsmarkt durch die Raster fallen. Das blieb bei mir hängen und deswegen wollte ich eine Geschichte erzählen von einer Frau, die eben nicht mehr jung ist und dann auch noch älter als der Mann. Wenn ein Mann mit einer deutlich jüngeren Frau auf einer Party auftaucht, interessiert das niemanden. Aber wenn es andersrum ist, wenn die Frau zehn oder 20 Jahre älter ist, dann reden auf dem Heimweg alle über dieses Paar. Das fand ich interessant.

In Ihrem Roman ist es immer Clara, die thematisiert, dass sie älter ist. Für Elias scheint das überhaupt keine Rolle zu spielen.

Clara kämpft mit diesen Dämonen, die bei uns mit dem Alter einfach kommen. Vielleicht ist es auch die Sicht der westlichen Welt. Ich glaube, dass zum Beispiel im alten China das Alter mit großem Respekt betrachtet wurde. Und auch bei manchen meiner muslimischen Schülerinnen und Schüler erlebe ich ein besonders respektvolles Verhältnis zum Alter.

Erlebt man, wenn man älter ist, die Liebe anders als in jungen Jahren?

Ich glaube, die Dummheiten in der Liebe macht man unabhängig von den Lebensjahren. Aber ab einem gewissen Alter steckt man in lauter Beziehungen, ist vielleicht verantwortlich für die Eltern, hat kleine Kinder oder schon eine gescheiterte Ehe hinter sich. Man steckt in einem großen Netz, das einen gar nicht so leicht loslässt. Und wenn dann die große Liebe kommt, was macht man dann damit? Kann man dann einfach alles hinter sich lassen oder muss man das vereinen? All diese Aspekte spiele ich ja auch im Roman durch.

Kann man sich in späteren Jahren noch auf einen neuen Menschen einlassen?

"Clara kämpft mit diesen Dämonen, die mit dem Alter kommen."

Kennen Sie persönlich Menschen, die es im reiferen Alter noch erwischt hat?

In meinem Bekanntenkreis gibt es das vereinzelt. Aber vor allem bei meinen Lesungen habe ich tatsächlich viele solcher Paare kennengelernt, die mir dann ihre Geschichten erzählt haben. Und meine Nachbarin hat „Die Liebe an miesen Tagen“ einer 78-jährigen Dame geschenkt, die ihr erzählte, dass sie gerade frisch verliebt sei und es sich anfühle wie mit 18. Das fand ich sehr hübsch, genau so muss es sein. Und das ist ja auch das Schöne, dass Gefühle eben nicht altern.

Im Roman spielt Humor eine wichtige Rolle. Wie wichtig ist er in einer Beziehung?

Ich glaube, wenn man miteinander lachen kann und den Humor der anderen Person wirklich versteht, ist das oft wichtiger als die kleinen Liebesbeweise. Mit Humor lässt sich auch vieles abmildern, was vielleicht schmerzhaft ist. Humor macht Menschen attraktiver als manche körperlichen Vorzüge. Das ist jetzt vielleicht etwas provokativ, aber wenn man jemanden zum Lachen bringen kann, ist das manchmal besser als Sex.

Nichts verpassen!

Liebe – sie trägt uns durchs Leben

Mit unserem Newsletter „Prinzip Apfelbaum“ verpassen Sie keine Ausgabe. Wir senden Ihnen regelmäßig Anregungen, Rat und Service – kostenlos per E-Mail in Ihr Postfach.

Jetzt kostenfrei anmelden!

In den meisten Ihrer Romane hat die tiefe Verbundenheit zwischen verschiedenen Figuren einen großen Stellenwert. Sind das für Sie alles Formen von Liebe?

Auf jeden Fall. Ich habe mich in meinem Leben schon manches Mal gefragt, warum es in der partnerschaftlichen Liebe nicht so einfach sein kann wie in der Liebe zwischen Geschwistern oder innerhalb der Familie. Für mich persönlich ist die Familie die Keimzelle der Liebe, des Vertrauens, der bedingungslosen Verbundenheit. Vielleicht kann man besser lieben, wenn man als Kind geliebt wurde und in einer liebenden Familie aufgewachsen ist. Vom Gefühl her unterscheidet sich für mich die partnerschaftliche Liebe nicht von der Liebe zu Geschwistern oder auch zu engen Freunden. Die erotische Attraktion ist ein Surplus, das in einer Partnerschaft hinzukommt.

Wie erzählt man eine gute Liebesgeschichte?

"Bei einem Liebesroman besteht immer die Gefahr, in den Kitsch abzudriften."

Wie viel hat „Die Liebe an miesen Tagen“ mit Ihrem eigenen Leben und Erleben zu tun?

So eine Liebe wie zwischen Elias und Clara ist keine autobiografische Geschichte. Aber in dem Buch sind schon einige Elementen drin, die ich in der ein oder anderen Art erlebt habe. Ich kann nicht über Sachen schreiben, von denen ich gar nichts weiß. Die Sache mit der dementen Mutter, die mit der Katze auf der Schulter durchs Dorf läuft, ist zum Beispiel ziemlich nah dran. Meine Mutter war körperlich fit, aber irgendwann sehr dement und ich bin eine Zeitlang zwei- oder dreimal in der Woche mit dem Auto durch die Dörfer gefahren und hab sie gesucht. Auch ihr Witz fließt in die Figur der dementen Mutter im Buch ein.

Wie lässt sich heute noch eine klassische Liebesgeschichte erzählen?

Bei einem Liebesroman besteht immer die Gefahr, in den Kitsch abzudriften. Und ich muss sagen, dass ich da manchmal hart dran entlangschreibe. Aber das liegt auch in der Natur der Sache. Wenn Sie von der Person, die Sie anbetet, einen Rosenstrauß bekommen, dann ist das eine wunderbare Geste, die Ihnen vielleicht Tränen der Rührung in die Augen treibt. Aber für alle Außenstehenden sieht das aus wie Kitsch. Die Herausforderung ist, so etwas durch die Augen der Liebenden beschreiben zu können. Dann sind die Rosen keine leere oder kitschige Geste, sondern tatsächlich ein Liebesgruß.

Was hat Sie daran gereizt?

Ich bin ein großer Fan von Romeo und Julia. Das ist so ein ganz klassisches Motiv: Junge trifft Mädchen, es funktioniert alles nicht so richtig und geht dann tragisch aus. Das ist alles schon Tausend Mal erzählt worden. Aber wie Shakespeare es erzählt, also auch zu seiner Zeit schon, das ist einfach großartig. Und ich dachte mir, man müsste doch – vielleicht in zwei Nummern kleiner – einen Liebesroman schreiben können, der eine uralte Geschichte auf eine neue Weise erzählt. Das ist, glaube ich, immer wieder die Herausforderung für uns Autorinnen und Autoren, Altbekanntes überraschend anders zu umschreiben.

Es hat Vorteile, sich zu verlieben, wenn man schon etwas älter ist.

"Es ist interessant, dass der Tod auch in den Rezensionen ausgeblendet wird."

Warum lesen Menschen so gerne Liebesgeschichten?

Ich denke, weil zumindest in der westlichen Welt die Liebe etwas ist, wonach wir alle streben. Wir tragen ja sehr viele Erwartungen an die partnerschaftliche, an diese eine große Liebe mit uns herum. Und deswegen mögen wir Geschichten, die erzählen, dass es sie tatsächlich gibt und dass sie funktionieren kann. In der realen Welt tut sie das ja oft genug nicht. In Deutschland wird mehr als ein Drittel aller Ehen geschieden, da zerbricht jedes Mal ein Traum und die große Erwartung an eine Liebesgeschichte.

Haben wir einfach zu hohe Erwartungen an die Liebe?

Ich glaube, es hilft, wenn man von der geliebten Person nicht verlangt, alles sein zu müssen: erotischer Partner, Lebenspartnerin, bester Freund und so weiter. Das ist ganz schön viel, was der einzelne Mensch da leisten soll. Da ist es vielleicht auch ein Vorteil, wenn man schon ein bisschen älter ist und sich verliebt: Man weiß, dass diese eine Person eben nicht alles verwirklichen muss, sondern dass es auch Freunde oder Geschwister gibt, die Teile davon erfüllen.

Aus Liebe

Wer Menschen, Tiere und die Natur liebt, kann nicht einfach wegschauen. Die Gründerinnen und Gründer unseres Magazins setzen sich dafür ein, die Welt ein Stück besser zu machen. Auch Sie können Bleibendes schaffen – über das eigene Leben hinaus. Mehr Informationen zur Initiative

Im Roman „Die Liebe an miesen Tagen“ geht es ja auch ums Sterben. Das wird interessanterweise in den Rezensionen gar nicht thematisiert. Da ist höchstens von einem Schicksalsschlag die Rede.

Es ist wirklich interessant, dass der Tod auch in den Rezensionen ausgeblendet wird. Viele Menschen wollen sich ja nicht mit ihm beschäftigen. Die Auseinandersetzung mit dem Sterben, mit dem Tod von geliebten Menschen, sind zentrale Themen in meinem Schreiben. Das hängt sicher auch mit meinen eigenen Erfahrungen zusammen. Mein jüngster Sohn hatte vor einigen Jahren eine lebensbedrohliche Infektion, mein Bruder ist mit 28 Jahren an Magenkrebs gestorben. Das sind Situationen, in denen man sich darauf besinnt, was wirklich wichtig ist im Leben. Und das schlägt sich in meinem Schreiben nieder. Ich stelle mir immer wieder die Frage, wie man das, was wir an Leben haben, richtig lebt.

GESPRÄCH: Kristina Simons
FOTOS: Ilka Birkefeld, Lukas Ottone / Stocksy, Carlo Prearo / iStock, Suresh Siriwardane / iStock

Lesetipp

Als Clara und Elias sich kennenlernen, scheint zunächst alles perfekt zu passen. Doch Clara macht der Altersunterschied zu schaffen. Ein Jobangebot in einer anderen Stadt stellt ihre Liebe auf die Probe. „Die Liebe an miesen Tagen“ von Ewald Arenz ist 2024 bei DuMont erschienen.