No. 32 – LIEBE

Impulse

Jugendliebe – wiedergefunden!

Es gibt Paare, die verlieren sich aus den Augen und finden erst nach langer Zeit wieder zusammen. Drei Geschichten, die ganz verschieden sind und doch etwas gemeinsam haben: Ihre Liebe hat die Zeit der Trennung überdauert.

Lesedauer ca. 6 Minuten

Das Glück der Liebe im Alter

Corinna: „Jetzt passen wir wirklich zusammen“

Das war vor über 40 Jahren, als ich Carsten kennenlernte. Damals war er meinen Augen der tollste Typ der Schule. In meinen Teenagerjahren war ich immer mal wieder in ihn verliebt oder er in mich – aber nie gleichzeitig. Wir haben uns gegenseitig den schlimmsten Liebeskummer verursacht und ich glaube: „the first cut is the deepest“ – das hat uns nie ganz losgelassen.

Wir haben dann beide geheiratet, Kinder bekommen und in verschiedenen Städten gelebt. Mehr als zwei Jahrzehnte später, nach meiner Trennung trafen wir uns zufällig wieder. Carsten war auch längst geschieden und sofort war diese große Vertrautheit zwischen uns wieder da. Im Grunde liebe ich heute noch dieselben Eigenschaften, die ich schon als Teenager an ihm bewundert habe. Aber Menschen reifen und das macht sie noch attraktiver. Carsten hat bis heute diese unbändige Lust auf Leben, die mich schon immer begeistert hat. Früher wurde mir das manchmal zu wild, aber inzwischen er ist natürlich erwachsen geworden und verantwortungsvoller.

»Menschen reifen und das macht sie noch attraktiver.«

Dass wir uns noch aus der Jugendzeit kennen, hat viele Vorteile. Wenn man sich im späteren Leben verliebt, gibt es ja in der Kennlernphase immer wieder schwierige Situationen. Jeder bringt auch ein paar nicht so schöne Angwohnheiten mit, man muss sich erst aufeinander einstellen. Gerade wann man älter wird, ist man aber nicht mehr bereit, alles hinzunehmen und im schlimmsten Fall geht man dann einfach weg. Carsten und ich hatten dagegen von Anfang diese Vertrauensbasis. Ich habe in solchen schwierigen Momenten gedacht: Na, das ist halt der Carsten. Deswegen haben uns wir vieles verziehen, was bei einem anderen Partner vielleicht Grund gewesen wäre, ihn zu verlassen. So konnten wir langsam zusammenwachsen.

Ich bin sehr, sehr froh, dass wir erst jetzt, in unserem „zweiten“ Leben ein Paar geworden sind. Wenn das schon früher passiert wäre, dann hätten wir uns längst getrennt. Erst heute passen wir wirklich zusammen!

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Im Rückblick: alles richtig

Ryan: „Unsere Geschichte war noch nicht abgeschlossen“

Getroffen haben wir uns vor über 30 Jahren in einem Pub in meiner Heimatstadt. Anke war als Studentin in Großbritannien und wollte eigentlich gerade nach Deutschland zurückkehren. Aber wir haben uns ineinander verliebt und sie ist geblieben, ein Jahr lang. Danach haben wir es mit einer Fernbeziehung probiert. Das war wirklich schwierig und lief nicht besonders gut. Wir haben uns nur alle drei Monate gesehen und viel gestritten, bis Sylvester 2000 endgültig Schluss war.

Ein halbes Jahr später habe ich meine Ehefrau kennengelernt und eine Familie gegründet. Wir sind 20 Jahre zusammengeblieben, mit allem Drum und Dran: Hund, Haus, zwei Kinder. In dieser Zeit habe ich dennoch manchmal an Anke gedacht. Hinten in meinem Schrank hatte ich eine Kiste mit Sachen von ihr vergraben. Darin lagen Streichhölzer, Liebesbriefe, Wutbriefe – alles Dinge, die ich nicht wegwerfen wollte. Einmal waren meine Frau und ich sogar in Berlin. Wir übernachteten in Kreuzberg und ich hoffte, Anke auf der Straße zu treffen. Das ist natürlich nicht passiert. Unsere Ehe ging schließlich in die Brüche – erst allmählich, dann plötzlich, wie Hemingway sagen würde. Es folgte eine ziemlich harte Zeit, in der es mir sehr schlecht ging. Um wieder zu mir zu kommen, bin ich viel spazieren gegangen und habe nachgedacht.

So kam ich auf die Idee, Anke im Internet zu suchen. Ich wollte wissen, was aus ihr geworden ist. Ist sie verheiratet, hat sie Kinder, wie sieht sie mittlerweile aus? Aber es war unmöglich, im gesamten Internet waren keinerlei Spuren von ihr zu finden. Schließlich bin ich doch noch auf ihren Namen gestoßen: auf der Webseite der Firma, für die sie arbeitet. Ich beschloss, ihr eine Karte zum Geburtstag zu schicken. Aber was sollte ich schreiben? Natürlich „Gratuliere zum Geburtstag“, aber sollte ich mit einem „Kuss“ enden?

»Wir hatten großes Glück, dass der Zeitpunkt für uns beide der richtige war.«

Ich musste nicht lange warten, nur wenige Tage später kam eine E-Mail zurück von Anke! Wir haben stundenlang telefoniert und uns dann zu einem Treffen verabredet. Vorher hatte ich wirklich Angst vor diesem Wiedersehen. Ich sah ja mittlerweile ganz anders aus. Früher hatte ich noch Haare auf dem Kopf und trug keine Brille. Und wenn man sich nach 20 Jahren wiedersieht, kann es natürlich passieren, dass man sich völlig unterschiedlich entwickelt hat. Ich könnte niemals mit jemandem zusammensein, der politisch ganz anders denkt als ich. Aber gleich beim ersten Treffen war diese Verbindung zwischen uns wieder da. Anke war immer noch die gleiche!

Später hat sie mir erzählt, dass sie in diesen 20 Jahren, in denen wir nichts voneinander gehört haben, auch oft an mich gedacht hat. Es ging ihr gut in der Zeit, aber auch für sie war unsere Geschichte noch nicht abgeschlossen und sie befürchtete, dass einer von uns sterben könnte, bevor wir uns noch einmal wiedersehen. Als damals vor vier Jahren ihre Chefin zu ihr kam und sagte: „Hier ist ein Brief für Dich aus England“, sei sie ganz blass geworden und habe sich erstmal hinsetzen müssen. Irgendwie wusste Anke sofort, dass der Brief von mir kam. Natürlich hatten wir großes Glück, dass der Zeitpunkt für uns beide der richtige war: Ich war geschieden und Anke hatte zwei Jahre zuvor ihre langjährige Beziehung beendet.

Wenn man eine Beziehung zweimal im Leben führt, dann muss man sich manchmal daran erinnern, dass sich die andere Person in den Jahren dazwischen verändert hat. Das heißt, man erwartet ein bestimmtes Verhalten, das man noch von damals kennt, aber der andere hat sich natürlich weiterentwickelt, ist reifer geworden und reagiert jetzt manchmal ganz anders. Im besten Fall ist man ja die Version seiner selbst geworden, die man werden wollte. Aber diese Jahre der Unterbrechung sind noch immer ein unbekanntes Terrain, durch das wir uns durchnavigieren müssen.

Ziemlich nervös, war ich, als ich Anke zum ersten Mal meinen Kindern vorgestellt habe. Aber die sind ja inzwischen auch erwachsen und haben sie sehr gut angenommen. Darüber bin ich wirklich froh. Mein Sohn sagte zu mir: „Du bist sehr glücklich.“ Das stimmt.

Neu verliebt im Pflegeheim

Hans und Marianne: „Dieses Mädchen will ich haben“

65 Jahre lang waren Hans und Marianne ein Paar. Beide waren Flüchtlingskinder. Hans kam aus Breslau und war schon mit 10 Jahren Luftschutzhelfer: ein Junge, der alten Leuten und kleinen Kindern half, bei Angriffen in die Keller hinunterzusteigen. Sein Vater war als Soldat im Krieg und als eines Tages auch die Mutter verschwand, machte sich der Junge 1945 allein auf den Weg nach Westen. „Dieses Gefühl, allein auf sich gestellt zu sein, hat sein ganzes späteres Leben geprägt“, erzählt seine Tochter.

Auch Marianne und ihre Eltern flüchteten aus Pommern und fanden Zuflucht in Augustdorf in der Nähe von Detmold. Hier lernte sie Hans kennen. „Meine Großmutter war gegen die Beziehung, weil mein Vater arm war und nichts besaß. Meine Mutter hat die Eheschließung gegen den Willen ihrer Mutter regelrecht ertrotzt“, berichtet die Tochter. Später kauften sich Marianne und Hans ein kleines Häuschen, das sie in ein Schmuckstück verwandelten und in dem sie ihre Kinder großzogen.

Doch vor einigen Jahren wurde Marianne immer vergesslicher. Sie fand den Weg zum Einkaufsladen nicht mehr und wusste nicht mehr, wie man kocht. Wenn Hans Pellkartoffeln essen wollte, stellte sie Zwiebeln auf den Tisch und meinte, das sei doch etwas mit Schalen. Hans wollte die Demenz zunächst nicht wahrhaben. Er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand aus der Familie an so etwas erkranken konnte, und wollte seine Frau unbedingt zu Hause pflegen.

»Ihre alte Liebe schaffte es, durch den Nebel des Vergessens wieder in ihr Leben zu schlüpfen.«

Allerdings ging es auch ihm selbst immer schlechter. Ein Tumor wurde entdeckt, viermal musste er ins Krankenhaus. Als er nach dem vierten Aufenthalt nach Hause zurückkehrte, erlitt er eine Art Retraumatisierung. Hans zog sich völlig in sich zurück, erkannte seine Frau nicht mehr und war nicht in der Lage, für sich oder für sie zu sorgen. Er musste in ein Pflegeheim gebracht werden. Dort fand er das geregelte Leben wieder, das er brauchte und knüpfte sogar Kontakte zu fremden Menschen. Weil Marianne sehr sturzgefährdet und schwer dement war, kam sie kurze Zeit später in dasselbe Heim wie ihr Mann.

Und hier im Pflegeheim passierte das Erstaunliche: Als sich die Beiden im Speisesaal wiedersahen, erkannten sich nicht. Aber Hans habe gleich gesagt: „Dieses Mädchen will ich haben“, erzählt die Tochter. Er bat eine Pflegekraft, die Frau an seinen Tisch zu setzen. Fortan holte er Marianne immer zu den Essen ab, machte mit ihr seine Runden durch das Haus und begleitete sie auf Spaziergängen. Marianne genoss die Fürsorge dieses Mannes und fühlte sich in seiner Gegenwart sehr wohl. Ihre alte Liebe schaffte es, durch den Nebel des Vergessens wieder in ihr Leben zu schlüpfen. Als Hans schließlich starb, trauerte Marianne um ihn.

AUFGEZEICHNET: Wibke Bergemann, Angelika Friedl
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