Editorial
„Wenn du allein bist, dann wirst du ganz dir selbst gehören“, soll im 15. Jahrhundert der große Gelehrte Leonardo da Vinci gesagt haben. Hin und wieder allein zu sein ist sicher schön, besonders nach turbulenten Zeiten mit Freundesbesuch oder Enkelkindern. Und doch. Würde sich da Vinci heute auch so äußern, wenn er statt in der Zeit der italienischen Renaissance in unserer individualistisch geprägten Gesellschaft lebte? Würde er sich womöglich für mehr Gemeinschaft aussprechen, statt für das Alleinsein?
Einsamkeit ist zu einem gesellschaftlichen Problem geworden. In Japan und Großbritannien gibt es inzwischen sogar ein Einsamkeitsministerium, in Deutschland wurde zum ersten Mal ein sogenanntes Einsamkeitsbarometer veröffentlicht.
Oft sind es die äußeren Lebensumstände, die einen Menschen vereinsamen lassen: der Umzug in eine neue Stadt, der Tod des Partners, die zeitaufwendige Pflege einer Angehörigen. Im Alter kommen manchmal gesundheitliche Probleme hinzu, die die Mobilität einschränken und es schwierig machen, sich mit anderen regelmäßig zu treffen.
In dieser Ausgabe gehen wir der Frage nach, woher die Einsamkeit kommt und vor allem, was man dagegen tun kann. Wir stellen gemeinschaftliche Aktivitäten in vielen Städten vor, sprechen über Onlinedating sowie über Programme, mit denen man Schritt für Schritt aus der Einsamkeit herauskommen kann. Außerdem haben wir in unserem Ratgeberteil besonders für Alleinstehende viele hilfreiche Tipps, z.B. zur Nachlassgestaltung oder zur Vorsorgevollmacht.
Susanne Anger
Sprecherin der Initiative "Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum"
Einsamkeit: Es gibt viele Gründe
Einsamkeit ist als gesellschaftliches Problem erkannt und wird immer besser erforscht: etwa die Frage, warum Menschen sich einsam fühlen und welche gesundheitlichen Folgen das hat. Klar ist, dass man einiges gegen Einsamkeit tun kann.
Weiterlesen...Aktivitäten in der Nähe: Zusammen statt allein
Angebote speziell für Seniorinnen und Senioren gibt es viele. Statt allein zu Hause zu sitzen, kann man an Ausflügen teilnehmen, in der Disko tanzen, im Chor singen oder Selbstverteidigung üben. Manchmal reicht auch einfach ein angenehmes Gespräch am Telefon.
Weiterlesen...Unsere Lieblinge
Lesetipp
Ein Intellektueller aus der Großstadt ist seines Lebens überdrüssig und geht für drei Monate in die Einsamkeit: als Brandwärter auf einem Berg auf einer kleinen Adriainsel. Während er sich an das einfache Leben gewöhnt, an die Hitze, an die tiefe Dunkelheit der Nacht, an die Schlangen und Wildschweine, begegnet er Esoterikern, Bikern und einem Veteranen, der nie ganz aus dem Krieg zurückgekehrt ist. Ein alter Esel und eine Hündin werden zu seinen ständigen Begleitern. In dieser selbst gewählten Einsamkeit fühlt er sich zum ersten Mal unabhängig und frei. Für einen kurzen Moment befürchtet er sogar, nie wieder unter Menschen leben zu können. Doch langsam wandelt sich sein Blick auf die Welt. Ein leichtes, kluges Buch über das Alleinsein, den Tod und das Leben.
Ivica Prtenjača: „Der Berg“ Folio Verlag, 2021. 184 Seiten, 22 Euro
Das Zitat
Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.
WILHELM VON HUMBOLDT
1767–1835, Gelehrter, Schriftsteller und Staatsmann
Ideen, die bleiben
action medeor
Dr. Ernst Boekels aus Vorst will helfen. Der niedergelassene Arzt beginnt, gemeinsam mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern Arzneimittel zu sammeln und zu sortieren, um sie dann nach Afrika zu schicken. Auch Kolleginnen und Kollegen bittet er, ihm die sogenannten Ärztemuster zukommen zu lassen. Bald kommen ganze LKW-Ladungen in Vorst an. 1964 wird ein Verein gegründet: action medeor. Allerdings werden viele der deutschen Medikamente in den Empfängerländern kaum gebraucht. Wichtige Medikamente gegen typische Armuts- und Tropenkrankheit fehlen dagegen. Deswegen beginnt action medeor damit, selbst kostengünstige Generika herstellen zu lassen. Außerdem wird auch anderer medizinischer Bedarf wie beispielsweise Pflaster, Verbände und Fieberthermometer versendet. Heute, 60 Jahre später, gilt action medeor als „Notapotheke der Welt“, betreibt auch in Tansania und Malawi Lager mit dringend benötigten Medikamenten, unterstützt die Aus- und Fortbildung von medizinischem Personal, hilft in Krisen- und Katastrophenfällen und setzt mit lokalen Partner-Organisationen weltweit humanitäre Gesundheitsprojekte um. Von Boekels` Idee einer besseren Gesundheitsversorgung profitieren mittlerweile rund 8,7 Millionen Menschen.
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36 %
Die Zahl
Die Corona-Pandemie war für viele Menschen eine Zeit großer Einsamkeit. Dabei litten junge Menschen deutlich stärker an der sozialen Distanz als ältere Menschen. 2021 fühlten sich bei Umfragen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) 48 Prozent der unter 30-Jährigen zumindest manchmal einsam, während es bei den über 75-Jährigen nur 36 Prozent waren. Sie kamen offenbar besser mit dem Alleinsein zurecht. Denn gerade ältere Menschen wissen das Alleinsein mitunter auch zu schätzen. Wie etwa Albert Einstein, der einmal sagte: „Ich lebe in jener Einsamkeit, die peinvoll ist in der Jugend, aber köstlich in den Jahren der Reife.“
Schon gewusst?
Patenkind als Erbe
Alleinstehende, die keine eigenen Kinder haben, möchten womöglich ein Patenkind als Erben einsetzen. Dabei gelten keine rechtlichen Besonderheiten. Patenkinder können wie jede beliebige Person frei als Erben eingesetzt werden. Hat der Erblasser weder Kinder noch einen Ehepartner, können lediglich seine noch lebenden Eltern einen Anspruch auf ihren Pflichtteil haben.
Anders sieht es dagegen aus, wenn die Erblasserin oder der Erblasser verheiratet ist und das Patenkind durch ein Ehegattentestament zum Beispiel als Schlusserbe eingesetzt wird. Dann kann es streitig sein, ob der überlebende Ehegatte diese Verfügung noch widerrufen darf. Allgemein ist ein Widerruf dann unzulässig, wenn ein Erbe mit dem vererbenden Ehegatten verwandt ist oder ihm nahesteht. Patenkinder sind aber laut dem OLG Köln weder im erbrechtlichen Sinne mit dem Erblasser verwandt noch stehen sie ihnen per se nahe. Für eine besondere Nähe muss es demnach weitere Anhaltspunkte aus dem Leben des Erblassers geben. Eine höchstrichterliche Entscheidung gibt es dazu aber nicht.
Michael Beuger, Partner der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE
Das tut gut