“Nicht mit Gegenhass, sondern mit Empathie”
Der jüdische Deutsche Shai Hoffmann sucht den Dialog zwischen Juden und Palästinensern. Entscheidend dabei: eine Haltung, die dem Trauma und Leid der anderen Seite mit Empathie begegnet.
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Wann haben Sie das letzte Mal bewusst Haltung gezeigt? Vielleicht haben Sie bei einer Diskussion, in der sich scheinbar alle einig waren, eine unbequeme Wahrheit ausgesprochen? Im Gespräch widersprochen, als platte Vorurteile geäußert wurden? An einer Demonstration teilgenommen?
Haltung, das bedeutet, sich der eigenen Werte bewusst zu sein. Wer eine Haltung hat, dessen Handeln beruht auf bestimmten Werten und Prinzipien, die uns umtreiben: Erkenntnisse gewinnen, Verantwortung für sich und andere tragen, Herausforderungen bestehen und nicht Ruhe zu geben. Denn nicht zuletzt geht es darum, an die eigenen Überzeugungen zu glauben und diese auch gegen Widerstände zu leben.
Es fallen einem Menschen wie Nelson Mandela mit seiner ungebrochen versöhnlichen Haltung ein, vielleicht ein Mahatma Gandhi und sein gewaltloser Widerstand. Menschen, die auf beeindruckende Weise Haltung gezeigt haben. Doch bereits im Kleinen für seine Überzeugungen einzustehen – damit beginnt alles. Eine demokratische Gesellschaft lebt davon, dass Menschen ihre Werte verteidigen.
Und ja, es stimmt, in einer immer komplizierter werdenden Welt, ist es manchmal nicht einfach, eine klare Haltung zu finden. Dennoch sollte man auf den inneren Kompass hören. Haltung zeigen, das kann schließlich auch bedeuten, allzu einfache Antworten zumindest anzuzweifeln.
In dieser Ausgabe sprechen wir mit Shai Hoffmann darüber, wie man trotz aller Gewalt und Krieg mit gegenseitiger Empathie über Israel und Palästina sprechen kann. Wir gehen der Frage nach, was Menschen eigentlich dazu bringt, auf die Straße zu gehen und zu protestieren. Und in den Ratgebern berichten wir, was die Körperhaltung für unsere innere Haltung bedeutet und wie man gegen hasserfüllte Kommentare in sozialen Medien vorgehen kann.
Ich wünsche Ihnen eine interssante und bereichernde Lektüre.
Susanne Anger
Sprecherin der Initiative "Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum"
Unsere Lieblinge
Navid Kermani erzählt von persönlichen Schlüsselerfahrungen und davon, wie in solchen Momenten die innere Haltung wachsen kann. Wie etwa die Geburt seiner Tochter sein Gefühl der Verbundenheit mit anderen Menschen stärkte. Was die Totenwaschung seines eigenen Vaters ihn über die Würde des Menschen lehrte. Oder wie ihm ein Familienbesuch bei Ajatollah Chomeini die Widersprüchlichkeit unserer politischen Haltungen verdeutlichte. Geschickt verwebt Kermani das Persönliche mit dem Weltgeschehen. Er zeigt, welche Schlüsse sich aus dem Konkreten für die Politik ziehen lassen – und warum wir trotz allem unsere Herzen für andere öffnen können.
Navid Kermani: Wenn sich unsere Herzen gleich öffnen.C.H. Beck 2025. 143 Seiten, 20 Euro
Die Ehrfurcht vor der Vergangenheit und die Verantwortung gegenüber der Zukunft geben fürs Leben die richtige Haltung.
DIETRICH BONHOEFFER
Theologe und Widerstandskämpfer, 1906 – 1945
Ende der 1970er Jahre herrscht in der Bundesrepublik ein Mangel an herzchirurgischen Abteilungen in den Kliniken. „Wir mussten deshalb die Patienten für Herzoperationen nach London schicken. Hier waren die Wartezeiten zu lang, was für die Patienten oft den Tod zur Folge hatte“, erinnert sich der Kardiologe Prof. Thomas Meinertz. Um mehr Menschenleben zu retten, gründet 1979 eine Gruppe von Kardiologen und Unterstützern in Heidelberg die Deutsche Herzstiftung e.V. und folgt damit den bereits bestehenden Vorbildern etwa in Großbritannien, den Niederlanden und den USA: eine Patientenorganisation, die sich für die Verbesserung der Versorgung einsetzt, die Forschung fördert, aber auch der Aufklärung dient. Ein wichtiges Instrument sind die „Patientenseminare“, die die Herzstiftung schon bald einführt. Tausende Interessierte strömen zu den Veranstaltungen, auf denen Herzspezialisten informieren und Fragen beantworten. Einmal jährlich finden zudem die Herzwochen statt, mit wichtigen Informationen über ein herzmedizinisches Thema. Zugleich setzt sich die Herzstiftung, die mittlerweile auf fast 110.000 Mitglieder angewachsen ist, auch auf politischer Ebene für die Belange der Betroffenen ein. Der jährliche „Deutsche Herzbericht“ etwa liefert wichtige Daten für gesundheitspolitische Entscheidungen und Forschung. Er zeigt, welche enormen Erfolge es in der Versorgung seit 1979 gibt – und was bei der hierzulande tödlichsten Krankheit noch getan werden muss.
44%
Sollten sich Unternehmen darauf konzentrieren, gute Produkte zu liefern oder sollten sie, wenn nötig, auch Haltung zeigen? Als sich im vergangenen Jahr mehr als 40 Unternehmen der Initiative „Made in Germany – Made by Vielfalt“ anschlossen, kam das bei den Kundinnen und Kunden offenbar gut an. In einer parallel durchgeführten Umfrage bewerteten es 44 Prozent der Befragten als positv, wenn eine Marke zu ökologischen, politischen oder gesellschaftlichen Themen Stellung bezieht. Jeder Vierte der über 60-Jährigen sieht Unternehmen sogar in der Verantwortung, Haltung zu zeigen.
Wer an gemeinnützige Organisationen vererben möchte, kann auch einen Verwendungszweck in seinem Testament formulieren. Doch Vorsicht! Damit Ihr gemeinnütziges Erbe wie gewünscht wirkt, ist eine flexible oder als Wunsch formulierte Zweckbindung entscheidend. Vermeiden Sie starre Auflagen wie „ausschließlich“. Wäre die von Ihnen begünstigte Maßnahme beendet, müsste die Organisation das Erbe ausschlagen, weil sie Ihren Willen nicht umsetzen kann. Es fällt dann an Ersatzerben oder Ihre gesetzlichen Erben. Verwenden Sie besser Formulierungen wie „vorzugsweise“ oder „im Bereich von“. Dies signalisiert Ihren Wunsch, gibt der Organisation aber nötigen Spielraum, um Ihre Mittel auch für andere wichtige Projekte einzusetzen. Sie können auch einen klaren Ersatzzweck im Testament benennen, falls der erste Zweck entfällt. Sprechen Sie am besten direkt mit der Organisation, die Sie als Erbin vorsehen, bevor Sie das Testament finalisieren. Klären Sie auch, ob Ihr Wunscheinsatz zur Satzung passt.
Christian Solmecke, Partner der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE
Das tut gut