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No. 14 - VERTRAUEN Ohne Trauschein erben: Älteres Paar glücklich lachend. Symbolbild. Ohne Testament haben Unverheiratete und Stiefkinder keinen Anspruch auf Erbe. Wer am Ende erbt und wie man den Nachlass regelt, erklärt Anwältin Simone Beuger. In: Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Foto: SBphoto via Twenty20

Paare ohne Trauschein: Wer am Ende Erbe ist

Ob man verheiratet oder in wilder Ehe lebt, spielt im Alltag keine große Rolle mehr. Anders beim Erbrecht. Ohne Testament haben unverheiratete Partner nicht einmal Anspruch auf den Pflichtteil. Auch Stiefkinder gehen leer aus. Hilfreiche Tipps, wie unverheiratete Paare und Patchwork-Familien ihren Nachlass regeln können.

Rosi Fischer und Jürgen Klein*, beide über 70, genießen ihren Ruhestand: den Garten, die Ausflüge und natürlich die Zeit mit den Enkeln. Als sie vor gut 30 Jahre zusammenkamen, brachten beide Kinder in die Beziehung mit und bildeten eine Patchwork-Familie. Noch einmal zu heiraten, kam für sie aber nicht in Frage. Was das bedeutet, wurde ihnen erst bewusst, als Jürgen Klein 2015 an Nierenkrebs erkrankte und das Paar begann, sich mit dem Tod und ihrem Nachlass zu beschäftigen. Dabei stellten sie fest: Ob sie mit oder ohne Trauschein zusammenleben, ist im deutschen Erbrecht ein Unterschied.

„Für unverheiratete Paare gibt es kein gegenseitiges gesetzliches Erbrecht“, erläutert die Kölner Rechtsanwältin Simone Beuger. „Ist keine letztwillige Verfügung vorhanden, hat der länger Lebende weder Anspruch auf einen Erb- noch auf einen Pflichtteil.“ Deshalb sollten insbesondere Unverheiratete, aber auch Menschen, die in Patchwork-Familien leben, Vorsorge treffen: mit einem Testament, besser aber noch mit einem Erbvertrag.

Ohne Trauschein erben: Ein älteres Frauenpaar lachend am Strand. Symbolbild. Ohne Testament haben Unverheiratete und Stiefkinder keinen Anspruch auf Erbe. Wer am Ende erbt und worauf Unverheiratete Paare und Patchwork-Familien achten sollten, erklärt Anwältin Simone Beuger. In: Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Foto: furryzen/Twenty20

Die gesetzliche Erbfolge kennen

Um Fallstricke zu vermeiden, ist es zunächst wichtig zu wissen, wer erbt, wenn es weder Testament noch Erbvertrag gibt. Nach dem Gesetz sind die engsten Verwandten zuerst dran: Kinder und Enkel. Dann: Eltern und Geschwister. Schließlich: Onkel und Tanten. Daneben erbt auch der überlebende Ehegatte. Im Extremfall kann also die gesamte Erbschaft an entfernte Verwandte oder den Ehepartner gehen, von dem man zwar lange getrennt, aber nicht geschieden ist. Der unverheiratete Lebensgefährte und nicht leibliche Kinder gehen dagegen leer aus.

Der Haken beim Testament

Unverheiratete Partner und Stiefkinder haben nicht einmal Anspruch auf ein Erinnerungsstück aus der gemeinsamen Zeit. Der einfachste Weg, dem vorzubeugen, ist es, ein Testament zu verfassen. Simone Beuger gibt aber zu Bedenken, dass das nur jede Person für sich selbst tun kann. „Ein gemeinschaftlicher letzter Willen wie bei Eheleuten ist in der sogenannten wilden Ehe nicht möglich.“ Der Haken dabei: Ein Einzeltestament kann jederzeit widerrufen oder geändert werden, ohne dass der andere informiert werden muss. Die Partner müssen sich nicht an ihre Vereinbarungen halten.

Besser: ein Erbvertrag

Mehr Verbindlichkeit bekommen Unverheiratete mit einem notariell beglaubigten Erbvertrag. Er erlaubt Regelungen, die einem Testament bei Eheleuten entsprechen. Einmal getroffene Absprachen lassen sich dann nur noch gemeinsam widerrufen oder ändern. Eine Trennung mache den Vertrag nicht automatisch unwirksam und auch durch ein Testament könne er nicht einseitig aushebelt werden, erklärt Beuger.

Paare, die an einigen Punkten flexibel bleiben wollten, können sich gegenseitig das Recht einräumen, von einzelnen Klauseln des Vertrags zurückzutreten – oder auch gleich vom ganzen Vertrag. Es empfiehlt sich zudem, vertraglich zu klären, ob und inwieweit die länger lebende Person nachträglich ein abweichendes Testament aufsetzen darf – oder an die gemeinsamen Verfügungen gebunden bleibt.

Unabhängige Beratung

Das deutsche Erbrecht ist komplex. Wer Fallstricke vermeiden will, sollte sich erbrechtlich beraten lassen. Unabhängige Rechtsberatung vermitteln unter anderen die Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V. und die Initiative „Mein Erbe tut Gutes“.

Komplexe Patchwork-Konstellationen

Kompliziert kann es vor allem in Patchwork-Familien werden. Weil die Konstellationen sehr unterschiedlich sind, rät Anwältin Simone Beuger dazu, bei jedem konkreten Fall genau zu betrachten, welche Konsequenzen das Erbrecht vorsieht. Beispielsweise wollen Eltern meist alle Kinder gleichbehandeln – die eigenen ebenso wie die des Partners. Die gesetzliche Erbfolge berücksichtigt jedoch lediglich leibliche und adoptierte Kinder.

„Wer wie viel vom Nachlass erhält, hängt im gesetzlichen Erbrecht sehr stark von der Reihenfolge des Versterbens ab – und von der Frage, ob die Partner verheiratet waren oder nicht“, so Beuger. „Die rechtlichen Konsequenzen daraus entsprechen oft nicht dem, wie man miteinander lebt und sich wünscht, dass der Nachlass einmal verteilt wird.“ Ein Beispiel: Ein verheiratetes Paar mit einem Kind aus einer früheren Beziehung lebt in einer Zugewinngemeinschaft. Verstirbt der leibliche Elternteil zuerst, erben Ehepartner und Kind in der Regel zu je 50 Prozent. War das Paar hingegen nicht verheiratet, erbt das leibliche Kind alleine alles.

Bei unverheirateten Lebensgefährten empfiehlt es sich daher, Vor- und Nacherben zu bestimmen. Soll eine Immobilie vererbt werden, kann etwa ein lebenslanges Wohnrecht für den länger lebenden Partner festgeschrieben werden. Für diese Regelungen rät Simone Beuger jedoch, zuvor eine rechtliche Beratung einzuholen.

Für den guten Zweck

Auch das ist möglich: Ein unverheiratetes Paar lebt in einer gemeinsamen Eigentumswohnung. Um den länger Lebenden nicht mit der Erbschaftssteuer zu belasten, hinterlassen sie jeweils ihren Teil der Wohnung einer gemeinnützigen Organisation und räumen dem anderen den lebenslangen Nießbrauch mit allen Verpflichtungen ein. Nach dem Tod des länger Lebenden fällt auch dessen Teil an den guten Zweck.

Das Finanzamt nicht vergessen

Auch der Fiskus behandelt unverheiratete Lebensgefährten steuerrechtlich wie fremde Personen. Während Eheleute von hohen Freibeträgen profitieren, können Unverheiratete lediglich 20.000 Euro geltend machen. Alles Vermögen, das darüber liegt, muss versteuert werden, mit Steuersätzen von 30 bis 50 Prozent. „Diese Steuernachteile lassen sich unter Umständen abmildern“, erläutert Beuger, „etwa durch Schenkungen zu Lebzeiten oder, indem man Privat- in Betriebsvermögen umwandelt.“

Ohne Trauschein und in Patchwork-Familien kann man sich also nicht früh genug um ein Testament kümmern, damit der letzte Wille auch wirklich umgesetzt wird. Der Rat von Simone Beuger: „Sobald sich eine Beziehung zu einer dauerhaften Lebensgemeinschaft entwickelt, sollte man sich damit auseinandersetzen. Vor allem wenn Kinder und Immobilien im Spiel sind.“ Rosi Fischer und Jürgen Klein können dem nur zustimmen. Dass sie sich in der Zeit schwerer Krankheit auch mit rechtlichen Fragen rund ums Erbe beschäftigen mussten, hat das Paar viel Kraft gekostet. Heute sind sie froh, alles geregelt zu wissen.

* Namen auf Wunsch geändert.

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Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Ausgabe 14: VERTRAUEN. USA. New Rochelle, NY. 1953: Ein Kleinkind, gehalten von Vater und Mutter. Symbolbild. Vertrauen ist die Basis für den Zusammenhalt, stärkt Bindungen, schafft Einigkeit. Auch wer mit dem Erbe Gutes tun möchte, braucht Vertrauen. Foto: Eliott Erwitt / Magnum Photos / Agentur Focus

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TEXT: Lars Klaaßen
FOTOS: SBphoto/Twenty20, furryzen/Twenty20