Editorial
Wäre es nicht schön, wenn wir unser Leben frei von Angst leben könnten? Wenn wir so sorgenfrei wären wie etwa Forrest Gump, der Held des gleichnamigen Hollywood-Klassikers? Mit unbekümmerter Leichtigkeit stolpert Forrest Gump von einem Abenteuer ins nächste, ohne irgendetwas Schlimmes zu erwarten – geradezu beneidenswert.
Aber selbst ein Forrest Gump beginnt zu rennen, als sein Leben bedroht wird. Keine Angst ist größer als die vor dem Tod. Das hat auch etwas Gutes: „Wenn ich weiß, dass ich ein Sterbender bin, kann ich viel intensiver leben“, meint der Bergsteiger Reinhold Messner dazu in unserer Ausstellung. Ja, diese Angst bewegt Menschen dazu, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen und das Leben dadurch umso mehr zu schätzen.
Darüber hinaus können Ängste unsere Verantwortung stärken. Vielen unserer Sorgen, etwa um unsere Gesundheit, um die Familie, um Klima und Frieden, sind wir nicht willenlos, nicht hilflos ausgesetzt. Wir können etwas tun und uns beispielsweise um andere Menschen kümmern, uns für den Naturschutz oder Menschenrechte aktiv einsetzen.
Diese Ausgabe widmet sich dem Thema Angst, von der „German Angst“ über die Lust am Nervenkitzel bis zu unseren Ratgebern, wie man mit bestimmten Ängsten besser umgehen kann.
Susanne Anger
Sprecherin der Initiative "Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum"
Was ist dran an der German Angst?
Den Deutschen wird nachgesagt, übermäßig ängstlich und grundlos besorgt zu sein. Mit Spott blicken unsere Nachbarländer auf die typisch deutsche Angst. Dabei hat sie auch ihre guten Seiten, wie der Historiker Frank Biess zeigt.
Weiterlesen...Nervenkitzel: Die Lust am Bibbern und Zittern
Gruselige Filme, Fußball im Fernsehen, Glücksspiele und Mutproben lösen neben Angst auch Lust in uns aus. Woher kommt diese Lust am Nervenkitzel? War sie möglicherweise ein evolutionärer Vorteil? Warum manche Menschen mehr Aufregung brauchen als andere und Horrorfilme uns gut tun könnten.
Weiterlesen...Unsere Lieblinge
Lesetipp
Sarah Bosetti nimmt sich populistische Zitate von Politikerinnen, Politikern und anderen Prominenten vor und beantwortet sie mit Gedichten. Ob Alice Schwarzer, Olaf Scholz, Wolfgang Kubicki oder Wladimir Putin – die Satirikerin nimmt die Leute beim Wort und entlarvt scharfsinnig ihre Sprache und Rhetorik: ruhig, nachdenklich und immer wieder enorm witzig. Im allgemeinen Gebrüll gelingt es ihr, den Blick darauf zu lenken, worum es wirklich geht und wovon der Populismus uns abzulenken versucht. Man muss nicht immer einer Meinung mit Bosetti sein, ein paar humorvolle Konjunktive mit ihr zusammen zu denken macht so oder so viel Spaß.
Sarah Bosetti: „Wer Angst hat, soll zuhause bleiben! Poesie gegen Populismus“. Rowohlt, 2023. 208 Seiten. 12 Euro
Das Zitat
„Wenn einer keine Angst hat, hat er keine Phantasie.“
ERICH KÄSTNER
1899 – 1974, Schriftsteller
IDEEN, DIE BLEIBEN
Max-Planck-Gesellschaft
Das Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 bedeutet einen Neuanfang, auch in der Wissenschaft. Die Alliierten überlegen zunächst, die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zu zerschlagen. Die renommierte Einrichtung für Grundlagenforschung hat eng mit dem NS-Regime kooperiert, ihre Institute liegen in Trümmern. Doch der britische Chemiker und Offizier Bertie Blount hat eine andere Idee: Er will eine neue Forschungsgesellschaft gründen, um das wissenschaftliche Erbe zu bewahren und zugleich neue demokratische Strukturen aufzubauen. Der weitgehend unbelastete Nobelpreisträger Max Planck übernimmt übergangsweise die Leitung, zunächst nur in der britischen Zone. 1948 wird – noch vor Gründung der Bundesrepublik – schließlich in Göttingen die Max-Planck-Gesellschaft als Nachfolgeorganisation gegründet. Vorsichtig läuft der Wiederaufbau unter westalliierter Kontrolle an. Finanziert wird die Gesellschaft zu gleichen Teilen durch Bund und Länder, um die Forschungsfreiheit zu sichern. Zunehmend öffnet sich die außeruniversitäre Einrichtung auch politisch relevanten Themen wie etwa Bildung, Friedensforschung oder Umweltschutz. Grundlagenforschung zu Klimawandel und demographischem Wandel ist heute wichtiger denn je. Mittlerweile, 75 Jahre nach ihrer Gründung, umfasst die Max-Planck-Gesellschaft über 80 Institute, 30 ihrer Mitglieder haben seit 1911 einen Nobelpreis erhalten.
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63+
Die Zahl
Je älter wir werden, desto größer die Angst? Von wegen! Tatsächlich leiden Menschen über 60 Jahren deutlich seltener an Angststörungen als jüngere Erwachsene. Zudem sind ältere Menschen offenbar auch risikofreudiger als jüngere. In einer Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung entschieden sich die Probanden über 63 häufiger als die jüngeren für die riskantere von zwei Optionen. Die Älteren berichteten außerdem häufiger von positiven Gefühlen, die Jüngeren äußerten eher Angst vor Verlusten. Fazit der Studie: Die Probanden zwischen 63 und 88 Jahren waren besser gelaunt, optimistischer und damit auch eher bereit, Risiken einzugehen.
Schon gewusst?
Erbvertrag für unverheiratete Paare
Das gemeinschaftliche Testament erleichtert Eheleuten die Regelung des Erbes. Oft in der „Wir“-Form verfasst, genügt es, dass nur ein Ehepartner das Testament handschriftlich verfasst, solange der andere unterschreibt. Es ist allerdings nur Eheleuten oder eingetragenen Lebenspartnern vorbehalten. Für unverheiratete Paare, die sich für den Todesfall gegenseitig bzw. „gemeinsam“ absichern möchten, bietet sich der Erbvertrag an. Erbverträge sind zwar etwas aufwändiger, binden allerdings auch stärker und könnten damit genau die richtige Gestaltung sein. Sie müssen zwingend notariell beurkundet werden. Das bringt Notarkosten für den Vertragsschluss mit sich, heißt aber auch, dass Änderungen, Aufhebungen und Widerrufe nicht ohne Einwilligung aller Beteiligten und nicht ohne Notar wirksam werden können. Der Erblasser darf zu Lebzeiten zwar noch über sein Vermögen verfügen, doch Schenkungen dürfen nur erfolgen, sofern sie dem Vertragserben nicht objektiv schaden.
Michael Beuger, Partner der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE
Das tut gut