Ratgeber

No. 25 – ANGST No Planet B: auf einer Demonstration

Gemeinsam handeln, statt zu resignieren

Die Vielzahl an Problemen in der Welt kann überwältigend sein. Manche reagieren darauf mit Angst, Verdrängung oder Resignation, andere werden aktiv, tun sich mit anderen zusammen und setzen sich für Veränderungen ein. Wie schaffen wir es, zu handeln statt zu verdrängen?

Klimawandel, Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine und jetzt auch noch eine hohe Inflation: Wenn so viele Krisen zusammenkommen, stecken manche lieber den Kopf in den Sand, lesen, hören oder sehen gar keine Nachrichten mehr und konzentrieren sich eher auf ihr eigenes Leben. Da gibt es ja häufig auch genug zu meistern – mit dem Job, mit den Kindern, mit dem Partner oder der Partnerin.

Auf der anderen Seite werden Menschen angesichts der globalen und existenziellen Probleme erst recht aktiv, engagieren sich für den Klimaschutz, nehmen Woche für Woche an Demonstrationen teil oder kümmern sich um Menschen, die vor Krieg, Verfolgung oder Hunger fliehen mussten. Wieso lassen sich die einen von Ängsten und Sorgen lähmen und die anderen nicht?

Wissen allein reicht nicht

Es ist eigentlich erstaunlich. Wir haben alle Informationen und doch schlittern wir als Gesellschaft sehenden Auges in die Klimakrise, lassen zu, dass immer mehr Teile der Erde unbewohnbar werden und immer mehr Arten aussterben. Der Soziologe Armin Nassehi geht in seinem Buch „Unbehagen. Theorie der überforderten Gesellschaft“ der Frage nach, warum wir globale Probleme nicht entschiedener angehen, obwohl wir doch die Mittel dagegen scheinbar in der Hand halten. Seine Erklärung: Weil sehr unterschiedliche Interessen, Ziele, Erwartungen und Wertigkeiten aufeinanderprallen, ist unsere Gesellschaft überfordert. Die Folge sei „ein Unbehagen daran, dass diese unfassbar leistungsfähige Gesellschaft so viel kann und doch so wenig.“

Machen statt Reden

„Das Umweltbewusstsein in der Gesellschaft ist hoch und trotzdem passiert zu wenig“, schreibt Katharina van Bronswijk in ihrem Buch „Klima im Kopf“. Van Bronswijk ist Psychotherapeutin und Sprecherin von Psychologists for Future. An den Fakten liege es nicht, sondern vielmehr an psychischen Hürden. Der kanadische Umweltpsychologe Robert Gifford nennt sie die „Drachen der Untätigkeit“. Einer dieser Drachen sei unsere begrenzte Kapazität an Aufmerksamkeit und Sorgen, so van Bronswijk. Angesichts vieler Probleme, mit denen wir tagtäglich konfrontiert seien, würden langfristige Probleme wie die Klimakrise in den Hintergrund rücken, „weil sie subjektiv nicht das drängendste Problem sind“.

Krisen, gefühlt in weiter Ferne

Die Klimakrise fühle sich oft wie etwas an, das weit in der Zukunft und an entfernten Orten Auswirkungen habe. „In Zeitungen oder Fernsehberichten wird das Thema Klimakrise oft mit den klischeehaften Eisbären bebildert statt dem eigenen Hinterhof. Das ist ein ganz wunderbarer Ausweg für unser Gehirn, um keine persönliche Relevanz zu empfinden. Psychisch nah und damit potenziell auch bedrohlich wirkt für uns etwas, das zeitlich, räumlich oder sozial nah an uns dran ist.“ Ein Hochwasser wie 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zum Beispiel, bei dem viele Menschen jemanden kannten, der persönlich betroffen war.

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Doch selbst ein solches Erlebnis lässt uns nicht automatisch zu Klimaaktivisten werden. „Ein Grund dafür kann eine gewisse Abstumpfung sein“, schreibt van Bronswijk. „Wenn wir das x-te Mal Bilder von Extremwetterereignissen und leidenden Menschen sehen, aber nichts tun können oder glauben, nichts tun zu können, um das Problem zu lösen, dann gewöhnen wir uns irgendwann daran.“ Und selbst wenn es Handlungsmöglichkeiten gibt, geben wir uns gerne dem Gedanken hin, dass doch erst mal andere etwas tun sollten, die Politik zum Beispiel oder andere Länder.

Ehrenamtlich Bäume pflanzen

Sich mit Gleichgesinnten zusammentun

Und es ist ja tatsächlich so: Wenn es um systemische Veränderungen geht, fehlen dem und der Einzelnen die Stellschrauben. Eine Individualisierung der Verantwortung ist also keine Lösung. Zumal das menschliche Gehirn nicht dafür gestrickt sei, als Einzelperson so komplexe Probleme wie die Klimakrise zu verarbeiten, meint die Psychologin van Bronswijk. Sehr gut könne es hingegen kooperieren, um gemeinsam Lösungen zu finden.

Sich mit Gleichgesinnten zusammenzutun, kann ein Schlüssel zum Handeln sein. Wenn Menschen sich zusammenschließen und eine gemeinsame Vision teilen, bekommt ihre Stimme mehr Gewicht. Sie können Wissen, Ressourcen und Ideen austauschen, gemeinsam auf Missstände aufmerksam machen, Lösungsansätze entwickeln und umsetzen.

Große Demonstrationen wie zum Beispiel die Streiks von Fridays for Future machen sichtbar, wie viele Menschen sich bereits heute für den Klimaschutz engagieren. Statt individuell möglichst nachhaltig zu leben, ginge es darum, „die Lebensumstände zu fordern, die wir brauchen, um nachhaltig leben zu können“, schreibt van Bronswijk.

Good News

Auch wenn alles immer schlimmer zu werden scheint – es gibt auch jede Menge gute Nachrichten aus der Welt. Das Good News Magazin hat sich auf ausschließlich gute Nachrichten verlegt. Es will bestärken, motivieren und zeigen, wie unsere Zukunft auch aussehen könnte – abgesehen von ‚katastrophal‘.

Dass Einzelkämpfertum eher kontraproduktiv sein kann, beschreiben auch Marie Heitfeld und Christoph Bals von Germanwatch in einem Blogbeitrag. Wer die Verantwortung für den Klimawandel zu stark beim individuellen Alltagsverhalten verorte, laufe Gefahr, die eigenen Handlungsmöglichkeiten als sehr eingeschränkt einzuschätzen. „Da die Wirkung veränderten Konsumverhaltens einer einzelnen Person zwangsläufig begrenzt ist, führen Anstrengungen allein in diesem Bereich häufig zu Frustration oder sogar Resignation.“

Zudem sei nachhaltiges Verhalten in nicht nachhaltigen Strukturen oft schwierig oder mitunter sogar unmöglich. Auch sie empfehlen, sich mit anderen zusammenzutun: „Gemeinsames und wirkungsvolles Handeln zusammen mit anderen Menschen stärkt sowohl die Resilienz der Gesellschaft gegen Krisen als auch unsere eigene Resilienz angesichts von Angst und Ohnmachtsgefühlen.“ Und das können wir gut gebrauchen.

Zum Weiterlesen

Katharina van Bronswijk: Klima im Kopf. Die Psychotherapeutin beschreibt, welche Gefühle der Klimawandel und das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten in uns auslösen. Angst, Schuldgefühle und Wut haben auch ihr Gutes, denn sie können uns zu Veränderungen motivieren. Erschienen im oekom Verlag, 2022.

TEXT: Kristina Simons
FOTOS: iStock / amriphoto, picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt, picture alliance / Zoonar | Robert Kneschke, oekom Verlag, Unsplash / Clay Banks