Ratgeber

No. 25 – ANGST Totenmaske aus Mexiko

(Keine) Angst vor dem Tod

Die Angst vor dem Tod zu bewältigen ist eine lebenslange Aufgabe, meint der Psychotherapeut Hans Morschitzky. Hochbetagte Menschen sind sie ihm näher als jeder andere und haben überraschend wenig Angst. Warum es sich lohnt, sich frühzeitig mit dem eigenen Ende zu beschäftigen.

Wird man im hohen Alter dem eigenen Ende gegenüber gelassener? Darauf deutet eine Studie der Universität Heidelberg, bei der Hochbetagte im Alter von 87 bis 97 Jahren zu ihrem Wohlbefinden befragt wurden. Es zeigte sich, dass die Befragten Sterben und Tod in hohem Maße akzeptierten und nur wenig Angst vor Krankheit und Tod hatten. Zudem verspürten die meisten eine überwiegend hohe Lebenszufriedenheit und stimmten Sätzen zu wie: „Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich fast alles wieder genauso machen.“ Offenbar besteht ein Zusammenhang – wer eine erfreuliche Lebensbilanz zieht, kann auch dem Tod relativ gelassen entgegenblicken.

Angst vor was eigentlich?

Bei der Auseinandersetzung mit dem Tod lohnt es sich zudem, genauer hinzuschauen, wovor wir eigentlich Angst haben. Der Psychotherapeut Hans Morschitzky unterscheidet drei Arten von sogenannten „existenziellen Ängsten“:

  • Angst vor dem Tod und dem Danach entsteht, wenn man sich der Endlichkeit der menschlichen Existenz und damit auch der eigenen bewusst wird. Das bringt die Ungewissheit mit sich, wann und wie es zu Ende gehen wird, und was danach kommt.
  • Die Furcht vor dem Sterben ist dagegen etwas konkreter. Sie bezieht auf den Verfalls- und Sterbeprozess und die damit verbundenen, möglichen Leiden.
  • Todesangst erlebt man angesichts einer akuten Bedrohung, etwa durch schwere Krankheiten oder durch äußere Gefahren wie Umweltkatastrophen und Unfälle.
Katze und Skelett: Leben und Tod

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Im Alltag gelingt es den meisten Menschen recht gut, die Angst vor dem Tod zu verdrängen. „Erst in Phasen akuter Todesangst wird sie als unbewältigtes Problem erkannt“, erläutert Morschitzky. Die Bewältigung der Furcht vor dem Sterben und der Angst vor dem Tod bleibe aber eine lebenslange Aufgabe, egal woran man glaubt, ob man religiös ist oder nicht.

Der Psychotherapeut rät dazu, sich seinen Ängsten und seiner Furcht rechtzeitig zu stellen – bevor man akut mit dem Tod konfrontiert wird. Das heißt nicht, dass man sich tagtäglich damit beschäftigen muss. Doch zumindest phasenweise sollte man die existenziellen Ängste voll und ganz zulassen, statt sie permanent zu verdrängen, so Morschitzky. Dies kann sogar ein Antrieb sein, auf Sinnsuche zu gehen und die eigene Lebensqualität zu erhöhen: Was macht mein Leben trotz des bevorstehenden Todes sinnvoll und lebenswert?

Sieben Ratschläge von Hans Morschitzky

  1. Sehen Sie der Angst vor dem Tod ins Auge: Erkennen und analysieren Sie Ihre existenziellen Ängste.
  2. Gehen Sie auf Sinnsuche: Finden Sie angesichts der eigenen Endlichkeit einen persönlichen Lebenssinn.
  3. Leben Sie entsprechend den eigenen Werten: Führen Sie ein erfülltes Leben bis zum letzten Tag.
  4. Setzen Sie sich mit dem Erreichten auseinander: Ziehen Sie Bilanz in Form eines Lebensrückblicks.
  5. Bereiten Sie sich auf das Sterben vor: Beschäftigen Sie sich mit dem Sterben.
  6. Bereiten Sie sich auf den Tod vor: Konfrontieren Sie sich in Gedanken mit dem Tod.
  7. Finden Sie zu Ihrer eigenen Spiritualität oder Weltanschauung: Entwickeln Sie angesichts des Todes eine religiöse oder philosophische Grundhaltung.

Bilanz ziehen

Zurück zur Eingangsfrage: Wird die Angst vor dem Tod im hohen Alter geringer? Ja, meint auch der Psychotherapeut Morschitzky und sieht als Grund vor allem, dass die Zukunftsperspektiven überschaubarer werden: „Angst zeigt sich in typischer Weise als Bedrohung durch eine unsichere Zukunft.“

In hohem Alter oder angesichts einer unheilbaren Krankheit zeichnet sich aber zunehmend ab, wodurch das Leben beendet werden wird. Auch zeitlich ist der persönliche Rahmen mehr oder minder eingegrenzt. Vielleicht lässt sich sogar bereits erahnen, wie der Sterbeprozess verlaufen könnte. Die Unsicherheit weicht allmählich der Gewissheit und der Blick zurück, auf die bereits gelebten Jahre, nimmt einen Großteil des eigenen Lebens ein. Es kann Bilanz gezogen werden.

Zum Weiterlesen

Hans Morschitzky: Die Angst vor dem Tod.
Der Psychotherapeut bietet neben der Analyse von existenziellen Ängsten auch konkrete Hilfe, wie sie sich bewältigen lassen. Es geht darum, den Tod zu akzeptieren – um das Leben im Hier und Jetzt zu genießen.
Erschienen im Patmos Verlag, 2021. 

TEXT: Lars Klaaßen
FOTOS: Stocksy /kkgas, Stocksy / Melissa Ross, Patmos Verlag, Unsplash / Rohro Clark