Warum Dank zeigen so gut tut
Wir zeigen anderen Menschen viel zu selten, was sie uns bedeuten. Egal ob mit Freunden oder Kolleginnen, dem Partner oder der Partnerin, oder beim Bäcker oder in der U-Bahn: Schon kleine Gesten machen einen Unterschied und lassen auch die anderen freundlicher reagieren. Öfter mal „Danke“ sagen lohnt sich.
Als Beray Macit vor ein paar Monaten erneut nach Istanbul flog, wurde ihre schnell wieder deutlich, wie anders es dort ist: „Die Leute in der Türkei zeigen sich ihre gegenseitige Wertschätzung viel mehr als hier in Deutschland. Man hört das Wort ‚danke‘ viel häufiger.“ Nicht nur Familienmitglieder oder alte Freunde gingen freundlicher miteinander um, auch bei flüchtigen Begegnungen auf der Straße, etwa beim Einkaufen oder im Taxi, ließe sich das beobachten.
Die Psychotherapeutin Macit arbeitet am Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit der Ruhr-Universität Bochum und befasst sich mit solch vermeintlich unscheinbaren Aspekten, die das alltägliche Leben erleichtern können: „Ein freundlicher, wertschätzender Umgang miteinander, wozu auch Dankbarkeit gehört, verstärkt sich gegenseitig. Für Beziehungen jeder Art ist das enorm wichtig.“
Ob in der Ehe, in Freundschaften, bei der Arbeit oder beim Bäcker: Schon kleine Gesten machen einen Unterschied und bewirken nicht selten eine ähnlich freundliche Reaktion. „Es lohnt sich also, wertschätzende Gedanken bewusst auszusprechen – auch solche, die man für selbstverständlich hält“, sagt Macit. Vor allem Menschen, die einem nahestehen, sollte man hin und wieder seine Anerkennung ausdrücken. „Das können etwa Komplimente sein oder eine Würdigung dessen, was er oder sie für mich und unsere Beziehung tut.“
In längeren Partnerschaften heißt das aber auch: Fällt die Anerkennung weg, geht etwas Wichtiges verloren. „So wie eine Topfblume, die man in bestimmten Abständen gießen sollte, lebt eine gute Beziehung von gegenseitiger Wertschätzung“, sagt Macit. Am Anfang, so lange beide noch frisch verliebt sind, ist es mit der Dankbarkeit einfach. Dank der Hormone hat man ohnehin das Gefühl, die Welt habe einem soeben den größten Wunsch erfüllt. „Deshalb ist man zu Beginn einer Liebesbeziehung bereit, viel zu geben. Das stößt einen Kreislauf gegenseitiger Wertschätzung an“, erläutert die Diplom-Psychologin und Paartherapeutin Christine Geschke.
„Solch positiven Input zu geben, kostet aber Energie und die ist bei jedem Menschen neurobiologisch begrenzt.“ Deshalb neige man in einer längeren Beziehung zu mehr Sparsamkeit bei der Wertschätzung. Der Aufwand scheint nicht mehr notwendig zu sein. Ohne freundliche Zuwendung und Dankbarkeit geht es auf Dauer aber nicht.
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Grundlage für eine gute Beziehung, geprägt von gegenseitiger Anerkennung, ist Gerechtigkeit. Das bedeutet nicht unbedingt Symmetrie: Gerade wenn sich die eine Person stärker dem Beruf widmet, um Geld für die Familie zu verdienen, während sich die andere verstärkt um die Kinder kümmert, werden gegenseitige Anerkennung und Dankbarkeit umso wichtiger, damit die Beziehung gelingen kann.
Dabei ist das Bedürfnis nach Anerkennung bei jedem Menschen anders. „Es kommt in jeder Beziehung vor, dass sich eine Seite an einem bestimmten Punkt nicht ausreichend wahrgenommen fühlt“, weiß Geschke. „Dann sollte man nicht darauf warten, dass es geschieht, sondern die eigene Position möglichst verständlich ausdrücken.“ Je freundlicher der Ton dabei, desto größer ist die Chance, dass der andere mit Verständnis und nicht mit Abwehr reagiert.
Wer Dankbarkeit zeigen kann, sollte auf der anderen Seite auch Grenzen setzen können. Denn kein Mensch geht ausschließlich in einer Beziehung auf, wir alle haben darüber hinaus auch noch ein eigenes Leben. Soziale Bindungen, auch Gefühle wie Liebe und sexuelles Verlangen, sind immer ein Geben und Nehmen“, betont Geschke. „Das darf aber nicht in ein kleinliches Aufrechnen münden, Großzügigkeit und Gerechtigkeit sollten sich ausgleichen.“ Dazu gehöre auch, die Fehler des Gegenübers zu akzeptieren und ins Gesamtbild zu integrieren. Das ist nicht zuletzt eine Voraussetzung für Dankbarkeit in längeren Beziehungen.
Wertschätzung in Beziehungen
- Sich auf Augenhöhe auseinandersetzen
- Wertschätzende Gedanken bewusst aussprechen
- Die eigene Position verständlich ausdrücken
- Die Wünsche des Gegenübers erkennen und ihnen entgegenkommen
- Die Fehler des Gegenübers akzeptieren und ins Gesamtbild integrieren
Wie entscheidend menschliche Beziehungen für das individuelle Glück sind, fanden die US-Psychologen Ed Diener und Martin Seligman schon vor über 20 Jahren heraus. Sie begleiteten ein Semester lang über 200 Studierende und untersuchten deren Glücksempfinden mit Fragebögen und Tagebucheinträgen.
Außerdem baten sie Freunde und Kommilitoninnen der Probanden, die Stimmungslage der Betreffenden einzuschätzen. Das Ergebnis der Untersuchung: Die Unglücklicheren hatten weniger befriedigende soziale Beziehungen. Die zufriedensten der Studierenden hingegen verbrachten am wenigsten Zeit allein und pflegten intensiv ihre guten sozialen Kontakte. Und gute zwischenmenschliche Beziehungen leben eben auch von Dankbarkeit.
TEXT: Lars Klaaßen
FOTO: pip / photocase, Milles Studio / Stocksy, Westend61 / photocase