No. 28 - HOFFNUNG

Wissenswertes

Rechte Heilsversprechen: Hoffnung auf Erlösung

Weltweit spielen Rechtspopulisten und Rechtsextreme wie Höcke, Trump, Meloni oder Milei mit der Hoffnung auf eine schöne, neue Welt. Wie lassen sich solche Versprechen entzaubern?

Lesedauer ca. 4 Minuten

Wie Rechtspopulisten mit der Hoffnung spielen

Schaut man auf den aktuellen Demokratie Index, haben liberale Demokratien mittlerweile einen schweren Stand. Rechte bzw. rechtspopulistische Parteien bilden in Italien, Ungarn und der Slowakei die Regierung oder gestalten sie mit wie in Finnland. In Österreich, Frankreich, und Deutschland erfreuen sie sich hoher Umfragewerte. In Indien regiert die BJP, die einen strikten hindunationalistischen Kurs verfolgt. In Argentinien verspricht der „Anarchokapitalist“ Javier Milei, das Land von der „politischen Kaste“ zu befreien. Und in den USA will Donald Trump wieder Präsident werden.

Wir gegen die da oben

„Rechtspopulismus ist eine Mischung aus Populismus und Versatzstücken rechtsextremer Ideologien“, sagt Paula Diehl, Professorin für Politische Theorie, Ideengeschichte und Politische Kultur an der Christian-Albrechts-Universität von Kiel. Im Mittelpunkt populistischer Erzählungen – das gilt auch für den linken Populismus – steht die Vorstellung einer Gesellschaft, die aus zwei Gruppen besteht und sich unversöhnlich gegenüberstehen: die korrupte Elite und das anständige Volk. In dieser Weltsicht kümmern sich die herrschenden Eliten nicht um das arbeitende Volk und verfolgen nur ihre eigenen Interessen.

»Die AFD behauptet, sie würde die „kleinen“ Leute vertreten und für sie gegen die Altparteien, „Genderismus“ und die Systemmedien kämpfen.«

So behauptet zum Beispiel die AFD, sie würde die „kleinen“ Leute vertreten und für sie gegen die Altparteien, „Genderismus“ und die Systemmedien kämpfen. Donald Trump richtete seine Antrittsrede im Januar 2017 ausdrücklich an diese angeblich vernachlässigten Menschen: „Zu lange hat eine kleine Gruppe in der Hauptstadt unseres Landes die Früchte des Regierens geerntet, während die Bevölkerung die Kosten dafür getragen hat….Ihre Siege waren nicht eure Siege, ihre Triumphe nicht eure Triumphe, und während sie in der Hauptstadt unseres Landes feierten, gab es für Familien überall in unserem Land, die versuchten, über die Runden zu kommen, wenig zu feiern.“

Die leeren Versprechungen der Rechtspopulisten

Im Grunde ist alles einfach

Populisten bieten ihren Wählerinnen und Wählern einfache Lösungen an und lassen komplexe Zusammenhänge unter den Tisch fallen: Baut eine Mauer – dann können keine Menschen illegal in die USA reisen. Oder: Verhängt strengere Strafen – dann sinken die Kriminalitätsraten. Rechtspopulisten sind sich nicht in allen, aber in vielen Punkten einig. Sie verfolgen in der Regel ein Familienbild aus dem 19. Jahrhundert, kämpfen gegen eine angeblich linke Vorherrschaft, sind ausländerfeindlich und setzen die eigene Nation an erster Stelle. Begriffe wie „Volk“ und „Nation“ dienen dazu, gesellschaftliche Minderheiten auszugrenzen.

„Die Gruppen können zwar sehr unterschiedlich sein, bilden aber seit einiger Zeit zunehmend Allianzen, sowohl national als auch international. Rechtspopulistische Parteien, die weniger radikal auftreten, können dann als eine Art Plattform für rechtsextreme Gruppen dienen. Rechtspopulistische Parteien passen sich an demokratische Regeln an, verschieben aber zugleich die Grenzen des Sag- und Machbaren“, erklärt die Politologin Diehl.

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Die Grauzone

Die Übergänge zum Rechtsextremismus sind dabei fließend, wie Paula Diehl betont: „Die Intensität des Rechtsextremismus kann variieren. Man kann anfangs wenig rechtspopulistisch sein und sich dann radikalisieren.“ Giorgia Meloni, italienische Ministerpräsidentin und Parteichefin der rechtsextremen Fratelli d’Italia, gibt sich zum Beispiel seit ihrem Regierungsantritt eher gemäßigt. Ein Trugschluss, warnt Diehl. „Weil sie nicht mehr so radikal auftritt, hat man das Gefühl, dass sie sich angepasst hat. Ich meine aber, so wie meine Kollegen in der Forschung, dass sie nach wie vor eine Postfaschistin ist. Die kulturpolitischen Ziele ihrer postfaschistischen Partei werden nun auf subtilere Weise verfolgt.“ Etwa, indem Schlüsselpositionen im Kulturbetrieb mit Gleichgesinnten besetzt werden. Das staatliche Fernsehen RAI hat Meloni bereits auf Linie gebracht.

Als besonders gefährlich gilt vielen Experten und Expertinnen die ungarische Fidesz Partei unter Viktor Orban. Der ungarische Ministerpräsident arbeitet erfolgreich am Umbau der Gesellschaft. So sind die Medien des Landes weitgehend unter seiner Kontrolle. Die Gewaltenteilung ist zwar nicht aufgehoben, aber die Befugnisse von Parlament und Justiz konzentrieren sich in der Regierung. Schon 2014 hatte Orban in einer Rede angekündigt, eine auf Wahlen beruhende sogenannte illiberale Herrschaft aufbauen zu wollen.

Warum sind rechtspopulistische Parteien so erfolgreich?

Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen sind da die zahlreichen Krisen: Migrations- und Klimakrise, Finanz- und Wirtschaftskrise und schließlich die Kriege in der Ukraine und in Nahost. „Das sind alles Krisen, die von Nationalstaaten allein nicht mehr bewältigt und nur global gelöst werden können. Das setzt die etablierten Parteien unter Druck, weil sie keine Lösungen für diese Krisen bieten können“, meint Paula Diehl. Viele Menschen verlieren das Vertrauen in ihre Regierungen. Eine diffuse Mischung aus Abstiegs- und Fremdenangst treibt sie zu den Rechtspopulisten.

Die Politik ist so komplex geworden, dass sie schwer zu verstehen ist. Ein Beispiel ist die Klimakrise. „Früher hat man wirtschaftlich gehandelt, ohne darüber nachzudenken, was es für die Umwelt bedeutet. Jetzt müssen wir auch die Umweltpolitik gestalten und das kann nur global gelingen. Es sind solche Krisen, die technologischen Neuerungen und die Beschleunigung der Lebensformen, die unsere Gesellschaft überfordern“, sagt Diehl.

»Populisten schlagen Profit daraus, dass sie erstens die Krise benennen, sie aber zweitens vergrößern, weil sie sie ständig herbeireden.«

Der zweite Faktor des Erfolges ist die langfristige Arbeit rechtsextremer Gruppierungen. Seit Jahrzehnten, erklärt die Wissenschaftlerin, hätten sie langsam und gezielt ihre Schwerpunkte gesetzt. „Sie streben nicht zuerst an die Macht oder wollen an der Regierung teilnehmen, sondern sie schaffen eine kulturelle Basis für die Akzeptanz antidemokratischer Ideen.“ Profitieren konnten sie auch von Themen, die von anderen Parteien vernachlässigt wurden. „In der politischen Theorie nennt man das die Krise der Repräsentation. Populisten aller Couleur schlagen Profit daraus, indem sie erstens diese Krise benennen, sie aber zweitens vergrößern, weil sie sie ständig herbeireden“, betont Paula Diehl. Angst und schlechte Stimmung verbreiten ist das erfolgreiche Geschäftsmodell aller Populisten.

Wie mit Rechtspopulisten umgehen?

Schwierig, denn einfache Rezepte gibt es natürlich nicht. Die Empfehlungen und Strategien schwanken zwischen Ausgrenzen und Einbeziehen. Die Politologin Diehl setzt ihre Hoffnungen vor allem auf den Widerstand der Zivilgesellschaft. Ein Beispiel ist Polen, wo Ende vergangenen Jahres die PiS Partei abgewählt worden ist. „Die Wahlen waren sehr knapp. Aber es ist trotzdem eine positive Nachricht, dass die Zivilgesellschaft sich dort gewehrt hat.“ Diehl verweist auch auf die vielen Demonstrationen gegen Rechts, die seit Jahresbeginn bundesweit stattfinden. Wichtig sei, dass sich mittlerweile zahlreiche Wirtschaftsvertreter klar positionieren, weil eine rechtsradikale Politik nicht in ihrem Interesse ist.

In erster Linie geht es darum, die Demokratie zu stärken, darin sind sich die meisten Expertinnen und Experten einig. Wir sollten besser erklären, schreibt der niederländische Politologe Cas Mudde in seinem Buch Rechtsaußen, „warum die liberale Demokratie das beste politische System ist, dass es derzeit gibt und dass es alle Unzufriedenen schützt.“

TEXT: Angelika Friedl
FOTOS: CSA-Printstock / iStock, Simeon Muller / Unsplash

Lesetipp

Cas Mudde: „Rechtsaußen. Extreme und radikale Rechte in der heutigen Politik weltweit.“ Mudde untersucht die Wurzeln rechter Organisationen, die Gründe für ihr Wachstum und ihre enorme Macht. Ein unverzichtbares Buch für alle, die Antworten suchen und dieser großen politischen Herausforderung entgegentreten wollen. Erschienen im Dietz Verlag, 2020