
Ratgeber: Voller guter Nachrichten
Die Welt wird immer schlimmer – dieses Gefühl ist weit verbreitet. Das hat weniger mit der Weltlage zu tun als damit, wie wir Informationen konsumieren. Wie man mit all den schlechten Nachrichten besser umgehen kann.
Fangen wir doch mal mit den guten Nachrichten an. Nur drei Beispiele: Das Umweltbundesamt hat im März erklärt, dass Deutschland seine Klimaziele für 2030 nach wie vor erreichen kann. Neue Therapien erzielen große Erfolge bei der Behandlung verschiedener Krebsarten. In Tokio schafft ein Café durch den Einsatz von Service-Robotern Arbeitsplätze für Menschen mit körperlicher Behinderung.
Solche guten Nachrichten zu lesen, hebt die Stimmung. Allerdings gibt es diesen Effekt auch umgekehrt: Schlechte Nachrichten machen in der Regel schlechte Laune. Wer das Gefühl hat, dass die schlechten Nachrichten im Laufe der vergangenen Jahre zugenommen haben, liegt nicht ganz falsch. Dieser Eindruck basiert aber nur bedingt auf dem tatsächlichen Zustand der Welt, sondern hat mehr mit der Dynamik unserer Medien zu tun – und vor allem damit, wie wir unsere vielen Informationskanäle nutzen.

„Die Vorliebe fürs Negative ist in der journalistischen Arbeit weit verbreitet und empirisch gut untersucht“, erläutert Maren Urner. „Haben Journalisten und Herausgeber die Wahl zwischen einem positiven oder negativen Aufhänger für ein Thema, erachten sie die Story mit negativer Aufmachung als wichtiger und sind geneigter, sie zu publizieren.“ Die Neurowissenschaftlerin hat ein Buch darüber geschrieben, wie die Medienwelt tickt und wie man mit dem vermeintlich täglichen Weltuntergang umgehen kann, ohne die Hoffnung zu verlieren.
Der journalistische Slogan „Only bad news are good news“, also „Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“ fußt auf zwei Umständen. Zum einen wolle sich kein Journalist den Vorwurf gefallen lassen, Schönwetter- oder Hof-Berichterstattung zu betreiben, so Urner. „Indem sich die Zunft auf das konzentriert, was schlecht läuft, soll der Journalismus seiner Wächterfunktion gerecht werden.“
Außerdem wissen Herausgeber ebenso wie die Sendungsmacher bei Funk und Fernsehen, dass Katastrophen und Skandale sich deutlich besser verkaufen als positive Neuigkeiten. Das hat wahrscheinlich evolutionäre Gründe. „In Zeiten von Säbelzahntigern und Mammuts war es wichtig, dass die Menschen keine schlechte Nachricht verpassten – schließlich konnte einen die verpasste Warnung vor dem Mammut das Leben kosten“, erläutert Urner. „Eine verpasste positive Nachricht, etwa die Aussicht auf einen sicheren Schlafplatz oder eine gute Mahlzeit, war zwar ärgerlich, aber keineswegs lebensbedrohlich und damit weniger dringlich.“
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Schon immer haben Zeitungen, Radio- und Fernsehsender uns vornehmlich die Schrecken der Welt präsentiert. Ob Vietnam- oder Kalter Krieg, Waldsterben oder die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl: Vor Jahrzehnten sah die Nachrichtenlage auch nicht gerade rosig aus. Doch etwas anderes hat sich geändert. Smartphones verbinden uns heutzutage quasi in Echtzeit mit dem Rest der Welt. Wir können also ständig Neuigkeiten konsumieren und tun das vielfach auch.
Vieles kommt über Soziale Medien, in denen Skandale und Katastrophen kommentiert, weitergeleitet und zusätzlich aufgeblasen werden. Die düsteren Botschaften sind ständige Begleiter geworden. „Wir wollen permanent erfahren, was in der Welt gerade alles schiefläuft“, so Urner. Dem haben sich auch die renommierten Medien angepasst und produzieren im immer schnelleren Takt neue Schlagzeilen.

Ständig mit schlechten Nachrichten konfrontiert zu werden kann aber schlimmere Folgen haben als bloß schlechte Laune. „Chronischer Stress bringt zunächst den Hormonhaushalt durcheinander und das Immunsystem wird geschwächt“, erläutert Urner. „Das kann sowohl psychische Erkrankungen wie Depressionen begünstigen als auch die Entwicklung von Übergewicht und zahlreicher chronischer Beschwerden wie Bluthochdruck und Diabetes.“
Bevor wir hier nun aber in eine negative Spirale geraten, zurück zu den guten Nachrichten: Wir können durch einen bewussteren Medienkonsum nicht nur hoffungsvoller auf die Welt blicken, sondern auch unser Wohlbefinden verbessern.
Good News
Immer mehr Nachrichtenportale bieten gute Nachrichten, z.B. ZDF , Zeit oder goodnews.eu.
Beim WDR-Programm COSMO gibt es die Daily Good News auch als Podcast zum Mitnehmen.
„Unser Leben ist nichts anderes als das, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten“, wusste bereits 1890 William James, einer der Wegbereiter der modernen Psychologie. Nachrichten bewusster wahrzunehmen, am besten in hierfür ausgewählten Zeiträumen, wirkt sich also unmittelbar auch auf das eigene Leben aus. Wir können zwar nicht bestimmen, was in der Welt passiert. Aber wir können wählen, welche Nachrichten wir lesen, hören oder sehen. Das bedeutet beispielsweise, Push-Nachrichten eventuell abzuschalten, besonders reißerische Meldungen auch mal bewusst zu ignorieren und stattdessen hintergründige, einordnende Informationen zu lesen.
Und noch eine gute Nachricht: Das Medienangebot ist enorm groß. Viele Zeitungen, Sender und Nachrichtenportale haben mittlerweile die Bedeutung guter Nachrichten erkannt und angefangen, diese bewusst zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich keineswegs um Schönfärberei. Die Welt ist eben nicht nur schlecht, auch die vielen guten Seiten sind eine Schlagzeile wert.
TEXT: Lars Klaaßen
FOTOS: Freebird7977 / Shutterstock, Tilialucida / Shutterstock, VVoe / Shutterstock
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Maren Urner: „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang. Wie wir uns gegen die digitale Vermüllung unserer Gehirne wehren.“ Die Wissenschaftlerin erklärt, was in der modernen Medienwelt schiefläuft, wie unsere Steinzeithirne täglich von der digitalen Informationslandschaft überfordert werden und welche Alternativen es gibt. Erschienen bei Droemer HC, 2019.