Ratgeber

No. 23 – WERTVOLL Zeit für ein Gespräch über Geld

Finanzen: Über Geld spricht man nicht?

Es lohnt sich, die finanziellen Seiten des Lebens offen anzugehen – über Zahlen und Konsum hinaus. Wer sich ehrlich mit materiellen Werten auseinandersetzt, kann auch zwischenmenschlich viel gewinnen.

Es ist paradox: Obwohl Geld in vielen Lebensbereichen eine große Rolle spielt, heißt es immer wieder, über Geld spricht man nicht. Die meisten Menschen kostet es Überwindung, dieses Thema anzuschneiden. Sie wollen bei anderen keinen Neid wecken oder gar ausgenutzt werden. Oder es ist ihnen peinlich, mit einem niedrigen Einkommen als vermeintlich erfolglos dazustehen.

Ein gutes Beispiel dafür, warum wir dennoch offener mit Geld umgehen sollten, ist der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen. Denn der so genannte Gender Pay Gap kann nur dann überwunden werden, wenn man weiß, was die Kollegen verdienen und was man in den Gehaltsverhandlungen verlangen kann.

Auch im Privatleben hat es Vorteile, offen darüber zu sprechen, was man verdient, besitzt oder geerbt hat. Warum sollte man mit vertrauten Menschen nicht teilen, welche Erfahrungen man etwa mit bestimmten Geldanlagen gemacht hat, wie viel die eigene Miete bzw. Immobilie kostet oder wie man sich mit einer Erbengemeinschaft geeinigt hat?

Wichtig: der Überblick über die eigenen finanziellen Möglichkeiten

Emotionen und Tabus

Das Problem: Meistens geht es bei Geld um mehr als Zahlen und Konsum. Denn Geld gilt zwar als ein rationales Thema – in Wirklichkeit zählt es aber zu den emotionalsten, meint Nicole Rupp, die als Coach zu Geld und Beziehung berät. „Und gerade emotionale Themen werden stark tabuisiert“, betont Rupp. „Dazu zählen neben sexuellen auch die finanziellen Seiten des Lebens.“

Wer über wie viel Geld verfügt und wer was man damit tun möchte, prägt unser persönliches Leben und unseren sozialen Umgang miteinander. Vor allem da, wo ein Gefälle bei Besitz beziehungsweise Einkommen besteht, wirkt es sich auch auf unsere Beziehungen aus, wenn auch meist unausgesprochen und unbemerkt. Damit bewusst umzugehen, offen und ehrlich darüber zu kommunizieren, kann in Freundschaften und Familien vieles erleichtern. Dabei sollte man im Blick behalten, dass Geld allein nicht glücklich macht, meint Rupp: „Der persönliche Finanzrahmen spielt in der Regel eine geringere Rolle, als viele denken. Über einem Jahreseinkommen von rund 80.000 Euro steigt das Glücksempfinden durch mehr Geld nur noch marginal.“

Gute Gründe, Geld zu thematisieren …

  • mit mir selbst: um meine Möglichkeiten, Grenzen und Risiken realistisch einzuschätzen.
  • mit Familie und Freunden: um gemeinsame Spielräume, neue Ziele und vielleicht auch finanzielle Ungleichheiten auszuloten.
  • mit Kollegen und der Chefetage: um zu erfahren, was meine Arbeit im Vergleich zu anderen Wert ist und um dafür zu sorgen, dass meine Leistung angemessen bezahlt wird.
  • mit der Bank: weil sie mit meinem Geld arbeitet und dabei nicht nur die Rendite zählt, sondern Investments auch ideelle Werte fördern können, etwa soziale und ökologische.

Klarheit über die eigenen Finanzen

Wer reinen Tisch machen will, sollte im ersten Schritt sich selbst gegenüber ehrlich sein und sich Klarheit über die eigenen Finanzen verschaffen. Das bedeutet, dass man Einkommen und Vermögen den Ausgaben und gegebenenfalls Schulden gegenüberstellt, erläutert Rupp. „Neben diesen Finanzen im engeren Sinne sind auch vorhandene Versicherungen relevant sowie Verträge, die man abgeschlossen hat. Daraus ergibt sich ein Bild der eigenen Möglichkeiten und manchmal auch Risiken.“

Sind andere beteiligt?

Natürlich müsse man nicht mit entfernten Bekannten über die eigenen Geldangelegenheiten sprechen. „Aber je näher Menschen sich sind, desto eher ist dies geboten“, empfiehlt Rupp. Denn nicht selten berührt die eigene finanzielle Situation auch die Interessen von Ehepartnern, Familienmitgliedern oder engen Freundinnen. Stellt man dagegen das Thema Geld so lange hinten an, bis es sich nicht mehr umgehen lässt, wird es umso verzwickter. Wenn beispielsweise eine Schuldenlast drückt oder ein Erbe in der Familie angetreten wird, ohne dass die Betroffenen zuvor informiert wurden, bleibt mitunter wenig Zeit, eine für alle angemessene Lösung zu finden.

Ein Gespräch über finanzielle Angelegenheiten kann sich mit drei verschiedenen Bereichen befassen:

  • Wie die Situation im Hier und Jetzt aussieht und was daraus folgt.
  • Inwiefern man mittel- und langfristige Pläne verfolgen möchte und wie diese finanziell anzugehen sind.
  • Mit Blick auf das eigene Lebensende: Welche Werte zählen für mich im Leben? Und wer kümmert sich um meine Werte, wenn ich dazu nicht mehr in der Lage bin oder sterbe – und zwar in meinem Sinne?
Materielle Werte geordnet weitergeben

Transparenz auch beim Nachlass

Spätestens wenn es um den eigenen Nachlass geht, empfiehlt es sich, mit den Menschen, die es betrifft, rechtzeitig und offen zu sprechen. „Jeder dieser Bereiche erfordert gegenseitiges Vertrauen“, sagt Rupp. „Doch vor allem wenn es perspektivisch darum geht loszulassen, ist dieses Vertrauen eine unerlässliche Voraussetzung.“

Wer seine Finanzen geordnet hinterlassen möchte, kann hierfür einen Notfallordner erstellen. Das macht es Angehörigen im Todesfall deutlich leichter, das Richtige zu tun. Dort hinein gehören unter anderem Angaben zu bestehenden Bankkonten und Aktiendepots, Kopien von Miet- und Telekommunikationsverträgen sowie von sämtlichen Policen. Es empfiehlt sich zudem, einer vertrauten Person eine Bankvollmacht zu erteilen und eine Kopie davon in den Ordner packen.

Tutorials zum Erbrecht

Worauf kommt es bei einem Testament an? Welche Kosten entstehen, welche Freibeträge gibt es? Die Initiative Mein Erbe tut Gutes erklärt in kurzen Videos die wichtigsten Fragen zum Erbrecht. Zu finden auf YouTube.

In ein offenes Gespräch mit den Erbinnen und Erben gehören aber auch Fragen danach, was mir wichtig ist und was nach mir bleiben soll.“ Materielle Werte ließen sich weitergeben und auch produktiv einsetzen, betont Rupp. „Eine schöne Erfahrung beim Loslassen ist: Großzügigkeit fühlt sich großartig an!“

TEXT: Lars Klaaßen
FOTOS: Bonninstudio / Stocksy, Oleksandra Stets / Stocksy, Porpeller / Istock