Prinzip Apfelbaum - Magazin über das, was bleibt

No. 6 – TRAUER

No. 6 – TRAUER

© Paolo Pellegrin / Magnum Photos / Agentur Focus

Cover: No. 6 – TRAUER

© Paolo Pellegrin / Magnum Photos / Agentur Focus

Editorial

Die Pietà des Michelangelo im Petersdom in Rom. Noch ein halbes Jahrtausend nach ihrer Erschaffung zutiefst berührend, denn wir fühlen den Schmerz: Eine Mutter trauert um den toten Sohn. Die Käthe-Kollwitz-Statue in der Neuen Wache in Berlin. Dort wo in diesen Tagen Kränze des Gedenkens niedergelegt werden. Auch sie zeigt die tiefe Trauer um einen geliebten Menschen.

Warum gibt es gerade in der dunklen Jahreszeit so viele Trauergedenktage? Warum lesen so viele Menschen regelmäßig die Traueranzeigen in der Zeitung? Ist die Beschäftigung mit dem Tod und der Trauer anderer eine abgeschwächte, eine erträglichere Form, dem eigenen Sterben ins Auge zu sehen? Oder erinnert sie uns daran, wie heftig und schmerzhaft der Verlust sein kann, und wir geben uns umso mehr Mühe, unsere Lieben zu beschützen und froh zu sein, dass wir sie haben?

Trauer, Trost und Hoffnung sind die Themen dieser Ausgabe unseres Magazins. Wir fragen: Wie trauern wir, gibt es Regeln, helfen Rituale, können wir vorsorgen? Was tröstet uns und wie können wir anderen beistehen? Wir sprechen mit Pfarrern, Forschern und Psychologen, wir geben Rat und Anregungen. Ich bin mir sicher: Uns mit dem Lebensende und dem Verlust auseinanderzusetzen, lässt uns bewusster leben und fürsorglicher werden.

Susanne Anger

Sprecherin der Initiative
"Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum"

Menschen

„Trauer gehört zu den tiefen Gefühlen des Lebens“

Der Herbst bringt die stillen Tage: Allerheiligen, Volkstrauertag, Buß- und Bettag, Totensonntag. Der evangelische Theologe und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer geht dann auf den Friedhof, um den Verstorbenen nahe zu sein. Denn Trauer – das ist für ihn mehr als nur ein Schmerz.

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Friedrich Schorlemmer über Trauer: Geschmückter Sarg mit Foto von Horst-Eberhard Richter. Der Autor starb am 19. Dezember 2011. Für Schorlemmer gehört Trauer zu den tiefen Gefühlen des Lebens. Ein Interview über Tod, Trauer und Trost. In: Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Foto: picture alliance/dpa

Wissenswertes

Ein Pendeln zwischen Trost und Schmerz

Viele glauben, dass Trauer in festen Phasen verlaufen muss. Vergessen Sie die Theorie! Trauer lässt sich in kein Schema pressen und schon gar nicht in einen Zeitplan. Jeder erlebt das Abschiednehmen auf andere Weise. Aus der Psychologie kommen neue Modelle für die Trauerverarbeitung.

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Jeder trauert anders: Ein Mann auf einer Stehleiter öffnet eine Luke im Dach. Symbolbild. Trauer verläuft nicht in festen Phasen. Es ist ein Pendeln zwischen Trost und Schmerz. In: Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Foto: Kay Fochtmann/Photocase.de

Impulse

In Verbindung
bleiben

Die Erinnerungen kann uns keiner nehmen. Es lohnt sich, den Spuren nachzugehen, die ein Mensch in uns hinterlassen hat. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, unsere ganz besonderen Erinnerungen festzuhalten – etwa in Erinnerungsbüchern oder in Gegenständen, die uns mit verstorbenen Menschen verbinden.

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Erinnerung gestalten: Eine Doppelseite eines Memory Book mit Notizen und einem eingeklebten Hochzeitsfoto. In Uganda schaffen aidskranke Eltern damit Erinnerungen, die ihren Kindern später Halt geben sollen. Erinnerungen helfen beim Trauern. In: Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Foto: Álvaro Laiz und David Rengel

Unsere Lieblinge

Lesetipp

Lesetipp: Cover des Buches

Es ist der kleine Bruder, der von der letzten gemeinsam durchzechten Nacht mit seinem zwölf Jahre älteren Halbbruder erzählt. Angefeuert vom Alkohol geht es von Kneipe zu Kneipe. Der ältere ist ein tragischer Idealist, schonungslos richtet er seinen Blick auf das Leid der Welt. Nur so sei ein würdevolles „Trotzdem“ möglich. Was die Brüder nicht wissen: Sie werden sich nicht wiedersehen. Wenig später stirbt der ältere allein in seiner Sozialwohnung, krebskrank und alkoholsüchtig. Aus Fragmenten der Erinnerung setzt der kleine Bruder dessen Leben zusammen. Eine letzte Hommage an den Verstorbenen. Ein ergreifender Roman über die großen Fragen des Lebens, den Tod und über die Liebe zu einem schwierigen Menschen.

Heinz Helle: „Die Überwindung der Schwerkraft“. Roman.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 208 Seiten, gebunden. 20 Euro.

2.790.000

Die Zahl

Trauer lässt sich kaum messen und wird von jedem Menschen anders erlebt. Auch die Zahl derer, die Jahr für Jahr akute Trauer erleben, kann nur geschätzt werden. So viel aber lässt sich sagen: Jedes Jahr sterben hierzulande mehr als 930.000 Menschen. Jeder hinterlässt im Schnitt drei nahestehende Menschen, die um ihn trauern. Das allein macht 2,79 Millionen Trauernde pro Jahr. Weil der Verlust viele aber eine längere Zeit belastet, gehen Forscher der Hochschule Ravensburg-Weingarten davon aus, dass sogar jeder zehnte Deutsche von Trauer betroffen ist. Im Alltag werden sie immer seltener sichtbar.

Berühmte Testamente: Schwarzweiß-Porträt der Unternehmerin Else Kröner. Als junge Frau trat sie das Erbe an und baute Fresenius zum weltweiten Konzern aus. Die von ihr gegründete Else-Kröner-Fresenius-Stiftung fördert medizinische Forschung und Entwicklungsprojekte. Ein Erbe für den guten Zweck. In Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt.

BERÜHMTE TESTAMENTE

Else Kröner

Frankfurt am Main, 1946. Der Tod ihres Ziehvaters Dr. Eduard Fresenius stellt Else Kröner, 21 Jahre alt und mitten im Pharmazie-Studium, vor eine schwierige Entscheidung: Sollte sie sein Erbe antreten und die im Krieg beschädigte Hirsch-Apotheke sowie die hoch verschuldete Pharmafirma Fresenius übernehmen? Die junge Frau zögert nicht. Ihr Motto: „Wenn ich es nicht tue, wer denn sonst soll es machen?“ Parallel zu ihrem Studium bringt sie die Apotheke wieder zum Laufen und lernt nebenbei Betriebswirtschaft. Schritt für Schritt baut sie Fresenius vom Familienbetrieb zur weltweit tätigen Aktiengesellschaft aus. Auch für die gute Sache engagierte sich die erfolgreiche Unternehmerin: Sie adoptierte fünf Kinder und gründete 1983 die Else Kröner-Fresenius-Stiftung, der sie bei ihrem Tod ihr gesamtes Privatvermögen hinterließ. Medizinische Forschung fördern, Menschen helfen – diesen Wunsch Else Kröners setzt die Stiftung bis heute fort. Allein 2017 bewilligte sie Fördermittel in Höhe von 46 Millionen Euro.

Schon gewusst?

Erbschein - nötig oder nicht?

Stirbt ein naher Verwandter, ist nicht nur die Trauer zu bewältigen. Auch der Nachlass muss geregelt werden. Banken, Behörden oder Geschäftspartner wollen dann häufig einen Erbschein sehen – ein amtliches Zeugnis, das belegt, wer überhaupt Erbe ist, wie groß der Erbteil ist und ob mögliche Beschränkungen gelten. Er ermöglicht den Angehörigen über das geerbte Vermögen zu verfügen. Aber: Nicht immer ist ein solcher Ausweis notwendig. Auch ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag belegt die Erbenstellung zweifelsfrei gegenüber Dritten und macht den Erbschein in der Regel überflüssig. Nur wer das nicht hat, muss einen Erbschein über einen Notar oder direkt beim zuständigen Nachlassgericht beantragen. Die Kosten dafür richten sich nach dem Wert des Nachlasses. Doch Achtung: Wer einen Erbschein beantragt, nimmt das Erbe verbindlich an – mögliche Schulden inklusive.

Michael Beuger, Partner der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE

DAS TUT GUT

Das tut gut: In Sielmanns Naturlandschaft Wanninchen lässt sich der Wandel einer Bergbaufolgelandschaft in ein Naturparadies hautnah erleben. Die Heinz Sielmann Stiftung ist Mitglied der Initiative

Idylle im alten Tagebau

Wo einst Kohle abgebaut wurde, entfaltet sich mit Hilfe von Spenden eine reizvolle Landschaft. Sandige Dünen, Wälder, Seen und Moorflächen prägen heute Sielmanns Naturlandschaft Wanninchen in der Niederlausitz. Im Herbst rasten Wildgänse und Kraniche in den flachen Gewässern, die sich von der Aussichtsplattform beobachten lassen. Im Natur-Erlebnis-Zentrum der Heinz Sielmann Stiftung informiert eine Ausstellung über die Landschaft und ihre Tier- und Pflanzenarten. Hier können Kinder und Jugendliche Natur ganz nah beobachten und erleben.

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Das tut gut: Verblühter Löwenzahn vor unscharfem Hintergrund. Der Trauer-Service der DKMS bietet trauernden Stammzell- und Knochenmarkspendern Hilfe und Trost. Die DKMS ist Mitglied der Initiative

Wenn Spender trauern

Andrea hat Stammzellen für eine an Blutkrebs erkrankte Frau gespendet. Die Spende verlief anonym. Trotzdem dachte Andrea viel an ihren genetischen Zwilling, wie es ihr geht, wer sie ist und ob sie Familie hat. Dann kam die traurige Nachricht: Die Frau war gestorben. Viele Spender wie Andrea leiden unter dem Tod ihres Empfängers. Manche machen sich sogar Vorwürfe, dass ihre Zellen nicht gut genug waren. Die DKMS bietet daher einen Trauer-Service für Spender an, mit Hilfestellungen und Erfahrungsberichten, die Trost bieten.

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Das tut gut: World Vision-Agrarexperte Tony Rinaudo beim Pflanzen eines Baumes in der Wüste. Für sein Engagement erhielt er den Alternativen Nobelpreis 2018. World Vision ist Mitglied der Initiative

Preis für den Waldmacher

Ackerland schaffen in der Wüste? Der australische Agrarexperte Tony Rinaudo entdeckte vor 35 Jahren, dass viele Baumstümpfe in der Sahelzone intakte Wurzeln haben und durch Pflege wieder zum Wachsen gebracht werden können. Er überzeugte Kleinbauern, Bäume nicht abzuholzen, sondern zu schützen und dazwischen Nutzpflanzen anzubauen. Allein in Niger konnten 6 Millionen Hektar Wald wieder aufgeforstet werden. In diesem Jahr erhielt der Mitarbeiter von World Vision dafür den Right Livelihood Award, den Alternativen Nobelpreis.

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Das tut gut: Ein Fischotter kletter aus dem Wasser. Dank der Deutschen Umwelthilfe können Fischotter neue Lebensräume sicher erobern. Die DUH ist Mitglied der Initiative

Laufsteg für den Fischotter

Fischotter sind nicht nur gute Schwimmer und Taucher. Sie sind auch begeisterte Wanderer. Um neue Lebensräume zu erobern, legen die bedrohten Tiere bis zu 20 Kilometer in einer Nacht zurück. Gefährlich wird das dort, wo Straßen die Reviere kreuzen. 80 Prozent aller tot aufgefundenen Otter starben, weil sie unter die Räder kamen – meistens an Brücken. In Thüringen hat die Deutsche Umwelthilfe nun 22 Brücken mit wildtier- und ottergerechten Laufstegen ausgestattet. So gelangen die Tiere unter den Brücken hindurch sicher von A nach B.

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Das tut gut: Porträt eines Waisenmädchens. Eins von 17 Kindern aus einem ausgebrannten Waisenhaus bei Athen, die ein dauerhaftes Zuhause brauchen. SOS-Kinderdörfer hilft. SOS ist Mitglied der Initiative

Zuhause für Waisenkinder

Die Kinder konnten aus den Flammen fliehen. Doch ihr Waisenhaus wurde komplett zerstört, als die verheerenden Waldbrände Ende Juli rund um Athen wüteten. Nun haben die SOS-Kinderdörfer die 17 traumatisierten Jungen und Mädchen in einem Vorort von Athen aufgenommen. Schritt für Schritt werden sie in SOS-Familien integriert und dabei psychologisch begleitet. Zudem sollen die Kinder in der neuen Umgebung bald wieder zur Schule gehen. So können sie nach den schrecklichen Erlebnissen schneller in den Alltag zurückzufinden.

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