Editorial
Die Pietà des Michelangelo im Petersdom in Rom. Noch ein halbes Jahrtausend nach ihrer Erschaffung zutiefst berührend, denn wir fühlen den Schmerz: Eine Mutter trauert um den toten Sohn. Die Käthe-Kollwitz-Statue in der Neuen Wache in Berlin. Dort wo in diesen Tagen Kränze des Gedenkens niedergelegt werden. Auch sie zeigt die tiefe Trauer um einen geliebten Menschen.
Warum gibt es gerade in der dunklen Jahreszeit so viele Trauergedenktage? Warum lesen so viele Menschen regelmäßig die Traueranzeigen in der Zeitung? Ist die Beschäftigung mit dem Tod und der Trauer anderer eine abgeschwächte, eine erträglichere Form, dem eigenen Sterben ins Auge zu sehen? Oder erinnert sie uns daran, wie heftig und schmerzhaft der Verlust sein kann, und wir geben uns umso mehr Mühe, unsere Lieben zu beschützen und froh zu sein, dass wir sie haben?
Trauer, Trost und Hoffnung sind die Themen dieser Ausgabe unseres Magazins. Wir fragen: Wie trauern wir, gibt es Regeln, helfen Rituale, können wir vorsorgen? Was tröstet uns und wie können wir anderen beistehen? Wir sprechen mit Pfarrern, Forschern und Psychologen, wir geben Rat und Anregungen. Ich bin mir sicher: Uns mit dem Lebensende und dem Verlust auseinanderzusetzen, lässt uns bewusster leben und fürsorglicher werden.
Susanne Anger
Sprecherin der Initiative
"Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum"
Ein Pendeln zwischen Trost und Schmerz
Viele glauben, dass Trauer in festen Phasen verlaufen muss. Vergessen Sie die Theorie! Trauer lässt sich in kein Schema pressen und schon gar nicht in einen Zeitplan. Jeder erlebt das Abschiednehmen auf andere Weise. Aus der Psychologie kommen neue Modelle für die Trauerverarbeitung.
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In Verbindung
bleiben
Die Erinnerungen kann uns keiner nehmen. Es lohnt sich, den Spuren nachzugehen, die ein Mensch in uns hinterlassen hat. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, unsere ganz besonderen Erinnerungen festzuhalten – etwa in Erinnerungsbüchern oder in Gegenständen, die uns mit verstorbenen Menschen verbinden.
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Lesetipp
Es ist der kleine Bruder, der von der letzten gemeinsam durchzechten Nacht mit seinem zwölf Jahre älteren Halbbruder erzählt. Angefeuert vom Alkohol geht es von Kneipe zu Kneipe. Der ältere ist ein tragischer Idealist, schonungslos richtet er seinen Blick auf das Leid der Welt. Nur so sei ein würdevolles „Trotzdem“ möglich. Was die Brüder nicht wissen: Sie werden sich nicht wiedersehen. Wenig später stirbt der ältere allein in seiner Sozialwohnung, krebskrank und alkoholsüchtig. Aus Fragmenten der Erinnerung setzt der kleine Bruder dessen Leben zusammen. Eine letzte Hommage an den Verstorbenen. Ein ergreifender Roman über die großen Fragen des Lebens, den Tod und über die Liebe zu einem schwierigen Menschen.
Heinz Helle: „Die Überwindung der Schwerkraft“. Roman.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 208 Seiten, gebunden. 20 Euro.
Das Zitat
Alles was man gemeinhin
Vergangenheit nennt, ist im Grunde
nur eine leiser und dunkler gewordene
Art von Gegenwart.
Gertrud von Le Fort
1876-1971, deutsche Schriftstellerin
2.790.000
Die Zahl
Trauer lässt sich kaum messen und wird von jedem Menschen anders erlebt. Auch die Zahl derer, die Jahr für Jahr akute Trauer erleben, kann nur geschätzt werden. So viel aber lässt sich sagen: Jedes Jahr sterben hierzulande mehr als 930.000 Menschen. Jeder hinterlässt im Schnitt drei nahestehende Menschen, die um ihn trauern. Das allein macht 2,79 Millionen Trauernde pro Jahr. Weil der Verlust viele aber eine längere Zeit belastet, gehen Forscher der Hochschule Ravensburg-Weingarten davon aus, dass sogar jeder zehnte Deutsche von Trauer betroffen ist. Im Alltag werden sie immer seltener sichtbar.
BERÜHMTE TESTAMENTE
Else Kröner
Frankfurt am Main, 1946. Der Tod ihres Ziehvaters Dr. Eduard Fresenius stellt Else Kröner, 21 Jahre alt und mitten im Pharmazie-Studium, vor eine schwierige Entscheidung: Sollte sie sein Erbe antreten und die im Krieg beschädigte Hirsch-Apotheke sowie die hoch verschuldete Pharmafirma Fresenius übernehmen? Die junge Frau zögert nicht. Ihr Motto: „Wenn ich es nicht tue, wer denn sonst soll es machen?“ Parallel zu ihrem Studium bringt sie die Apotheke wieder zum Laufen und lernt nebenbei Betriebswirtschaft. Schritt für Schritt baut sie Fresenius vom Familienbetrieb zur weltweit tätigen Aktiengesellschaft aus. Auch für die gute Sache engagierte sich die erfolgreiche Unternehmerin: Sie adoptierte fünf Kinder und gründete 1983 die Else Kröner-Fresenius-Stiftung, der sie bei ihrem Tod ihr gesamtes Privatvermögen hinterließ. Medizinische Forschung fördern, Menschen helfen – diesen Wunsch Else Kröners setzt die Stiftung bis heute fort. Allein 2017 bewilligte sie Fördermittel in Höhe von 46 Millionen Euro.
Schon gewusst?
Erbschein - nötig oder nicht?
Stirbt ein naher Verwandter, ist nicht nur die Trauer zu bewältigen. Auch der Nachlass muss geregelt werden. Banken, Behörden oder Geschäftspartner wollen dann häufig einen Erbschein sehen – ein amtliches Zeugnis, das belegt, wer überhaupt Erbe ist, wie groß der Erbteil ist und ob mögliche Beschränkungen gelten. Er ermöglicht den Angehörigen über das geerbte Vermögen zu verfügen. Aber: Nicht immer ist ein solcher Ausweis notwendig. Auch ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag belegt die Erbenstellung zweifelsfrei gegenüber Dritten und macht den Erbschein in der Regel überflüssig. Nur wer das nicht hat, muss einen Erbschein über einen Notar oder direkt beim zuständigen Nachlassgericht beantragen. Die Kosten dafür richten sich nach dem Wert des Nachlasses. Doch Achtung: Wer einen Erbschein beantragt, nimmt das Erbe verbindlich an – mögliche Schulden inklusive.
Michael Beuger, Partner der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE
DAS TUT GUT