Ratgeber

No. 20 – MENSCHLICHKEIT Wertvoll und persönlich: der vererbte Schmuck

Gemeinnützig vererben: Profis für den Nachlass

Wer etwas Bleibendes hinterlassen möchte, kann eine Hilfsorganisation zur Haupterbin bestimmen. Die löst dann im Todesfall auch den Haushalt auf. Es kommen Profis ins Haus, um Möbel und persönliche Gegenstände sorgfältig zu sortieren, zu verschenken oder zu verkaufen. Für einen guten Zweck.

Sich um den Nachlass eines verstorbenen Menschen zu kümmern, kann eine sehr persönliche Sache sein. Man begegnet der Lebensgeschichte eines Menschen, seinen Angehörigen, Freundinnen und Freunden. Zurückbleiben vielleicht auch Haustiere und natürlich all die Dinge, die zu einem Menschen dazugehören: alte Möbel, der hochgeschätzte Schmuck, die oft betrachteten Bilder an der Wand, die Fotoalben der Familie, Bücher, Kleidung, Zeugnisse oder Tagebücher. Viele dieser Dinge sind mit Erinnerungen und Erzählungen verbunden.

Um dem gerecht zu werden, versucht Sandra Fritzsch-Wortmann als erstes an ein Foto von der verstorbenen Person zu gelangen. „Ich will wissen, wer dieser Mensch war, dessen letzten Wunsch ich erfülle“, sagt sie. Denn das ist ihr Beruf: den letzten Wunsch zu erfüllen und sich um den Nachlass eines Menschen zu kümmern. Fritzsch-Wortmann arbeitet in der Nachlassabteilung der Christoffel-Blindenmission, einer Hilfsorganisation, die sich weltweit für Menschen einsetzt, die blind, gehörlos, geistig- oder körperlich behindert sind.

Hilfsorganisationen als Haupterben

Immer wieder entscheiden sich Menschen dazu, dass nach dem Tod ein Teil ihres Nachlasses an eine Hilfsorganisation wie die Blindenmission gehen soll. In ihrem Testament legen sie dafür einen bestimmten Geldbetrag fest. Manchmal wird aber auch die Mission als Alleinerbin eingesetzt. Dann kümmern sich Fritzsch-Wortmann und ihre Kolleginnen um den kompletten Besitzstand. „Dafür braucht man viel Fingerspitzengefühl und Verantwortungsbewusstsein“, sagt sie.

Professionelle Nachlassverwaltung: alte Möbel in einer Wohnung

Seit elf Jahren macht sie diese Arbeit bereits und wird dabei immer wieder mit Schicksalen konfrontiert, die ihr nahegehen. Gleich ihr erster war so ein Fall: Eine alte Dame, die ihr Haus vermacht hatte. Je länger sich Fritzsch-Wortmann mit der Verstorbenen beschäftigte, desto deutlicher wurde, dass sie in den letzten Jahren nach dem Tod ihres Mannes sehr einsam gewesen sein muss. „Das hat mich sehr bewegt.“

Individuelle Wünsche berücksichtigen

Angemessen vorzugehen, das sei sehr wichtig bei ihrer Arbeit. „Wir schauen uns jedes Leben und jedes Erbe individuell an“, sagt sie. Gibt es irgendwo einen Vermerk, dass Angehörige oder Bekannte sich diesen oder jenen Gegenstand mitnehmen dürfen? Dieser Wunsch müsse natürlich erfüllt werden. Finden Fritzsch-Wortmann und ihre Kolleginnen Fotoalben oder andere sehr persönliche Dinge, erkundigen sie sich bei den Verwandten, ob sie diese behalten wollen.

Immobilien werden von seriösen Maklerinnen verkauft, wertvolle Gegenstände über ein Auktionshaus versteigert. Vorsichtig werden diese dann eingepackt und abtransportiert. „Es wird niemals passieren, dass ein Container im Garten steht und die Sachen einfach aus dem Fenster geworfen werden“, versichert Fritzsch-Wortmann. Im Gegenteil. Gibt es Bücher oder Kleidungsstücke, die sich nicht mehr verkaufen lassen, versucht sie, diese an soziale Organisationen im Viertel weiterzugeben.

Und schließlich kommt eine auf Haushaltsauflösungen spezialisierte Firma, die die Wohnung mit Bedacht ausräumt. Dabei kommen alle persönlichen Dokumente in einen verschließbaren Behälter, um sie anschließend datensicher zu vernichten.

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Profis in der Wohnung

Angemessen heißt aber auch, dass Fritzsch-Wortmann nicht wertet, was sie sieht. „Ich bin Profi. Das bedeutet, dass ich eine Wohnung neutral betrachte.“ Etwa wenn es unaufgeräumt ist, weil der Tod plötzlich eintrat. Oder wenn es Dinge gibt, die sehr persönlich sind. Es stehe ihr nicht zu, sich darüber ein Urteil zu bilden, meint sie.

Ist die Blindenmission Haupterbin, kümmert sich Fritzsch-Wortmann auch um das bürokratische und kündigt die verschiedenen Verträge, die die oder der Verstorbene abgeschlossen hatte. „Bei der Post beantragen wir einen Nachsendeauftrag, so dass alles an unsere Adresse geht. Wenn der- oder diejenige Geburtstag gehabt hätte, trudeln häufig noch Briefe oder Postkarten von fernen Bekannten ein, die von dem Tod noch nichts mitbekommen haben. Diese beantworten wir natürlich.“

Hilfsorganisationen als Erben kümmern sich auch um Haustiere.

Was geschieht mit den Haustieren?

Was geschieht mit den Haustieren?

Bei der Tierschutz-Organisation Vier Pfoten ist die Nachlassabteilung häufig mit der Frage beschäftigt, was mit den hinterbliebenen Haustieren passieren soll. „Wir raten dazu, die Hunde, Katzen oder andere Tiere im Todesfall bei Freunden, Nachbarinnen oder Angehörige unterzubringen, die sich gut um diese kümmern können“, sagt Katharina Holzhausen. So bleiben die Tiere im gewohnten Umfeld oder zumindest bei bekannten Personen. Wenn das nicht möglich ist, kümmert sich Vier Pfoten um die verwaisten Tiere und bringt sie auf kooperierenden Lebehöfen oder bei Tierfreunden unter. Viele Erblasserinnen und Erblasser haben ganz konkrete Wünsche, die zu erfüllen sind. Einmal gehörte beispielsweise ein Pferd zum Nachlass, das gut untergebracht werden sollte. „Wir vermittelten das Tier an einen Gnadenhof, entrichten die Beiträge und lassen uns Fotos und einen jährlichen Gesundheitsbericht schicken. So kann das Pferd bis heute einen ruhigen Lebensabend verbringen.“

Allerdings gibt es auch Wünsche, die eine Hilfsorganisation nicht erfüllen kann. „In einem Fall hatte eine Dame ihre Tiere auf ihrem Grundstück in Frankreich untergebracht“, erzählt Holzhausen. Diese Unterbringung vor Ort sollte fortbestehen, so der Wunsch. Für die Organisation wäre es allerdings nicht zu leisten gewesen, die Tiere im Ausland zu betreuen. „So haben wir zusammen eine Lösung gefunden, bei der die der Hunde nach Deutschland überführt wurden“, berichtet Holzhausen.

Wer mit dem eigenen Nachlass etwas Gutes tun möchte, sollte deshalb rechtzeitig mit der gewünschten Hilfsorganisation in Kontakt treten. Je konkreter die Wünsche, desto wichtiger ist das persönliche Gespräch. Nur so können die Nachlassabteilungen diese auch richtig umsetzen: persönlich und angemessen.

TEXT: Karl Grünberg
FOTOS: Jamie Grill Atlas / Stocksy, Jodie Johnson / Stocksy, SujinKim / Shutterstock