Editorial
Auseinanderzugehen und Abschied zu nehmen, das fällt uns fast immer schwer. Evolutionspsychologen meinen gar, es käme einem psychischen Erdbeben gleich, sich von wichtigen Dingen, aber vor allem von wichtigen Menschen zu trennen. Und tatsächlich ist der Mensch für Abschiede schlecht gerüstet. Wir sind Klammeraffen, vom ersten Tag an. Unser Gehirn sucht und festigt Bindungen. Auf Trennungen reagiert es ebenso heftig wie auf körperliche Verletzungen: mit Schmerz. Denn eigentlich wollen wir verbunden bleiben.
Und doch, Abschiede begleiten uns von klein auf. Zu jedem Zeitpunkt des Lebens müssen wir uns trennen: Am ersten Kindergartentag, an dem uns die Mama verlässt. Am Ende der ersten Liebe, einer beruflichen Station, eines Ortswechsels. Und am Ende eines Lebens. Das ist sicher der schwierigste Abschied, den wir erleiden und erleben. Loslassen, das müssen wir mühsam lernen, lebenslang.
Das Thema Abschied steht deshalb im Mittelpunkt dieser Ausgabe unseres Magazins. Helfen kann uns dabei die bewusste Auseinandersetzung, sich rechtzeitig Gedanken zu machen, wie wir gehen wollen, anderen nah sein und über das Ende zu reden. So erschütternd die psychischen Erdbeben des Abschieds auch sein können, oft fördern sie einen Schatz zutage, den wir erst entdecken, wenn die schlimmste Zeit der Trauer überwunden ist: Wir erkennen noch einmal neu, was wir an einem Menschen wirklich schätzten und liebten. Und dieses Erkennen tröstet und hilft uns.
Susanne Anger
Sprecherin der Initiative
"Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum"
Erinnern und
vom Leben erzählen
David Ensikat ist Nachrufeschreiber beim Berliner Tagesspiegel. In seinen Texten würdigt er das Leben ganz normaler Menschen und führt dazu lange Gespräche mit Angehörigen und Freunden. Das Erinnern und Erzählen helfe bei der Trauerarbeit, sagt er. Ein Gespräch über den Umgang mit Tod, Trauer und Erinnerungen.
Weiterlesen...Trauern, wie wir es wollen
Ein Eichensarg, der Pfarrer spricht, jeder wirft noch eine Blume ins Grab und schon ist die Beerdigung vorbei. Üblicherweise. Doch immer mehr Menschen wollen anders, auf ganz persönliche Weise, Abschied nehmen. Woher aber wissen, was erlaubt ist und was für einen selbst richtig? Alternative Bestatter helfen dabei, passende Rituale zu entwickeln.
Weiterlesen...Unsere Lieblinge
Lesetipp
Ein bewegendes Buch über das Ende des Lebens, über Freundschaft und Einsamkeit: Johannes Wenger, 83, alleinstehend, Architekt, ist nach einem Sturz auf Pflege angewiesen. Das kratzt an seinem Selbstbild und macht den Alltag beschwerlich. Sein Freund und Hausarzt Dr. Mailänder versucht, dem grantigen Alten das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Sogar in den Urlaub mit der Familie lädt er ihn ein. Dabei bringt vor allem die sechsjährige Katharina etwas in „Opa Hannes“ zum Klingen. Mit viel Gefühl, Komik und Melancholie nimmt Peter Härtling seine Leser mit in die Mühsal des Alters und macht zugleich deutlich, welch großes Glückspotenzial auch diese Lebensphase besitzt. Dem Tod kann man nicht entgehen. Aber man kann sich aus der eigenen Geschichte mit einem Lächeln verabschieden.
Peter Härtling: „Der Gedankenspieler“. Roman.
Kiepenheuer&Witsch, Köln 2018. 240 Seiten, 20,00 Euro
Das Zitat
Wenn dein Schiff fährt, wird es fahren. Wenn ich winken muss, werde ich winken. Wenn ich dich zum letzten Mal küssen darf, werde ich es so tun, rasch, auf die Wange.
Ingeborg Bachmann: Der gute Gott von Manhattan
Aus: Werke, Bd.1. © 1978 Piper Verlag GmbH, München
100.000
Die Zahl
Zuhören, eine Hand halten, einen letzten Wunsch erfüllen, da sein bis zum Schluss. Mehr als 100.000 Menschen begleiten Schwerkranke und Sterbende hierzulande auf ihrem letzten Weg. Ihre Zahl wächst, laut Deutschem Hospiz- und PalliativVerband, stetig. Für die in den 1980er Jahren in Deutschland aufgekommene Hospizbewegung sind Ehrenamtliche unerlässlich. Ihr Ziel: Das Sterben zurück ins Leben holen. Raus aus den Krankenhäusern. Denn jeder hat einen würdevollen Abschied verdient.
Berühmte Vermächtnisse
Johann Christian Senckenberg
Wie schlecht es seinerzeit um das medizinische Wissen und die Behandlung von Kranken stand, wusste der Frankfurter Arzt Johann Christian Senckenberg nur zu gut. Drei Ehefrauen und auch seine beiden Kinder starben früh. Fortan kannte der fromme und rechtschaffende Senckenberg nur ein Ziel: Mit seinem Vermögen wollte er das Gesundheitswesen der Stadt verbessern und „der Wissenschaft einen Tempel“ bauen – einzigartig in einer Zeit, in der sich Stiftungen vor allem auf soziale Zwecke beschränkten. Im August 1763, 17 Jahren nach der ersten Idee, wurde die Dr. Senckenbergische Stiftung schließlich errichtet. Sie schenkte der Stadt Frankfurt nicht nur das erste Bürgerhospital. Die erste Pathologie, der Heilpflanzengarten und die Bibliothek waren die Grundsteine für die spätere Universität. Übrigens: Auch seinen Abschied hatte Senckenberg genau geregelt. Auf seiner eigens verfassten Grabinschrift heißt es: „Lerne zu sterben während du lebst: So hast du durch den Tod das Leben erworben.“
Schon gewusst?
Ein Erbe ausschlagen
Eine Erbschaft mag verlockend klingen. Doch nicht immer verspricht sie etwas Gutes. Denn wer erbt, kann sich nicht nur über Geld, Haus oder Schmuck freuen. Als Rechtsnachfolger des Erblassers übernehmen Erben auch alle Verbindlichkeiten. Für mögliche Schulden haften sie persönlich mit ihrem gesamten Vermögen und nicht allein mit dem Wert des Nachlasses. Annehmen oder ausschlagen sollte deshalb gut überlegt sein. Sechs Wochen räumt der Gesetzgeber jedem dafür ein. Wird die Erbschaft innerhalb dieser Frist beim Nachlassgericht nicht abgelehnt, gilt sie als angetreten. Die Zeit sollte man gut nutzen und sich einen Überblick über die Höhe des Nachlasses und die Nachlassverbindlichkeiten verschaffen. Achtung! Rosinenpicken geht leider nicht. Ausschlagen kann man ein Erbe nur komplett. Wer also unliebsamen Überraschungen vorbeugen möchte, setzt besser von Beginn auf rechtliche Beratung.
Michael Beuger, Partner der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE
DAS TUT GUT