Editorial
„Ist doch Ehrensache!“ – Wenn wir diesen Satz hören, fällt er meist nebenbei, fast lapidar hinterhergeschoben. Es steckt Bescheidenheit darin: „Ist doch nichts Besonderes, Gutes zu tun“. „Ehrensache“ versteht sich sowohl als selbstverständliches Handeln im Jetzt als auch als Versprechen für die Zukunft. Und dafür erwarten die meisten nicht einmal großen Dank.
Wir kümmern uns um Freunde, pflegen Angehörige, helfen im Verein, spenden Geld, vererben für eine gute Sache. Nicht aus Eigennutz oder der vagen Erwartung auf eine Belohnung in der Zukunft. Nein, unser Lohn für dieses ehrenhafte Verhalten ist das gute Gefühl, gut zu sein. Moral ist keine Schminke, mit der wir unsere ansonsten egoistische Natur übertünchen. Moral ist tief im Menschsein verwurzelt.
Aber warum läuft dann so vieles schief in der Welt? Menschen folgen dem Handeln anderer. Um sich zu vermehren, braucht das Gute Anerkennung. Verhaltensforscher beweisen: Es braucht nur fünf Prozent einer Gruppe, damit alle anderen mitmachen – im Guten wie im Schlechten. Gutes braucht also Vorbilder. Davon erzählen wir in dieser Ausgabe. Mit Beispielen von Menschen, für die Gutes tun Ehrensache ist und die zudem festgestellt haben: Es macht nicht nur Spaß. Es verspricht sogar ein längeres Leben.
Susanne Anger
Sprecherin der Initiative
"Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum"
Weitergeben stiftet Lebenssinn
Was sind die Quellen für ein sinnhaftes Leben? Psychologin und Sinnforscherin Tatjana Schnell fand in ihren Studien einen Grund: Generativität. Die Sorge um nachfolgende Generationen. Erfüllung findet, wer Wissen und Werte weitergibt und Verantwortung übernimmt. Dazu muss man nur eins tun: anfangen. Denn Sinn entsteht durch Handeln.
Weiterlesen...Gutes tun steckt an
Wann verhalten wir uns moralisch, wann nicht? Und warum fühlen wir uns besser, wenn wir anderen helfen? Zahlreiche Studien gehen diesen Fragen auf den Grund. Eine wichtige Erkenntnis: Gutes tut, wem Gutes widerfährt. Eine Anstiftung zum Vorleben und Nachmachen.
Weiterlesen...Unsere Lieblinge
Lesetipp
Was bleibt von einem Leben? Eine Geschichte oder die Erinnerung an einen Moment, an ein bestimmtes Gefühl? Robert Seethaler lässt in seinem neuen Roman Verstorbene zu Wort kommen und zurückblicken. Einer wurde geboren, verfiel dem Glücksspiel und starb. Ein anderer hat endlich verstanden, in welchem Moment sich sein Leben entschied. Eine erinnert sich daran, dass ihr Mann ein Leben lang ihre Hand in seiner gehalten hat. Eine andere hatte 67 Männer, doch nur einen hat sie geliebt. Und einer dachte: Man müsste mal raus hier. Doch dann blieb er. – „Das Feld“ erzählt von Menschenleben, jedes ganz anders, jedes mit anderen verbunden. Ein vielstimmiger Roman, ein poetisch tröstlicher Blick auf das Leben.
Robert Seethaler: „Das Feld“. Roman.
Hanser Berlin, 2018. 240 Seiten, gebunden, 22,00 Euro.
Das Zitat
Der Mensch ist nichts an sich.
Er ist nur eine grenzenlose Chance.
Aber er ist der grenzenlos Verantwortliche für diese Chance.
Albert Camus
1913-1960, französischer Schriftsteller und Philosoph
BERÜHMTE VERMÄCHTNISSE
Jakob Fugger, der Reiche
Er ist der bekannteste Spross der Augsburger Kaufmannsfamilie. Um sein unermessliches Vermögen ranken sich viele Mythen. Und auch seine Stiftungen beanspruchen Superlative: Bald 500 Jahre sind sie alt und ginge es nach dem Willen Jakob Fuggers, sollten sie bis ans Ende der Welt bestehen bleiben. Für den mächtigen Unternehmer war das Stiften eine Sache der Ehre und der sozialen Haltung. Die Fuggerei, die bekanntesten der drei Fuggerschen Stiftungen, gilt als erste Sozialsiedlung der Welt und Vorbild für alle späteren. Dort wohnen durfte, wer Augsburger war, katholisch und unverschuldet in Not geraten. Die Miete für zwei Zimmer, Küche, Bad betrug genau einen Rheinischen Gulden im Jahr. Heute: 88 Cent. Dazu kamen täglich drei Gebete für das Seelenheil der Stifterfamilie. Auch das gilt noch immer. Und selbst der Kerngedanke blieb in 500 Jahren unverändert: Die günstige Miete soll den Bewohnern die Chance geben, aus eigener Kraft wieder auf die Beine zu kommen. Hilfe zur Selbsthilfe „aus Frömmigkeit und hochherziger Freigebigkeit“.
22.274
Die Zahl
So viele Stiftungen zählte der Bundesverband Deutscher Stiftungen 2017. Stiften ist beliebt. Seit Jahren wächst die Zahl derer, die sich auf diese Weise, nachhaltig für die Gesellschaft engagieren – die Mehrzahl aus Verantwortungsbewusstsein und weil sie etwas bewegen möchten. Das tun sie mit großer Wirkung: Stiftungen ermöglichen allein 318 Professuren, tragen 150 Krankenhäuser und 270 Museen oder pflegen 154.000 Hektar Naturschutzflächen. Ehrensache! Und aller Ehren wert!
Schon gewusst?
Erbschaftssteuer
Es sollte natürlich Ehrensache sein, einen guten Zweck zu unterstützen. Ganz nebenbei hat es aber auch finanzielle Vorteile. Dass sie Spenden von der Steuer absetzen können, wissen die meisten. Doch der Staat belohnt die gute Tat auch nach dem Tod. Es gilt § 13 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes. Danach ist Vermögen, das per Testament einer anerkannt gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Organisation vererbt wird, von der Erbschaftssteuer befreit. Egal in welcher Höhe und egal, ob es sich um eine Testamentsspende, eine Erbschaft oder einen Erbvertrag handelt. Selbst für Schenkungen zu Lebzeiten entfällt die Schenkungssteuer. Der Grund für die Belohnung: Das Erbe soll voll und ganz der guten Sache dienen.
Michael Beuger, Partner der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE
DAS TUT GUT