Ratgeber

No. 4 – EHRENSACHE Wirksam Gutes tun: Porträt von Ise Bosch. Die Erbin und Stifterin ist überzeugt: Wer wirkungsvoll die Welt verändern will, sollte Geben mit Vertrauen. In: Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Foto: Lucas Wahl

Gutes besser tun: Wie fördert man wirksam, Ise Bosch?

Ise Bosch hat viel Erfahrung damit, ihr Vermögen für mehr Gerechtigkeit einzusetzen. Die Erbin, Stifterin und Gründerin im Dienst der guten Sache ist überzeugt: Reichtum ist ein Werkzeug für gute gemeinnützige Arbeit. Wie kann man wirkungsvoll die Welt verändern, haben wir sie gefragt. Ihr Rat: Geben Sie mit Vertrauen! Das verändert auch Sie selbst.

Die Frage, wie man mit seinem Millionenerbe gewissenshaft umgehen soll, beschäftigt Ise Bosch seit langem. Die Enkelin des Unternehmers Robert Bosch entschied sich früh, ihr Vermögen zu nutzen, um Großes zu bewegen. Als Stifterin, Gründerin und Philanthropin. Seit den Neunzigerjahren engagiert sie sich für Menschenrechte und die Gleichstellung von Frauen und sexuellen Minderheiten. Sie tut das strategisch und vielfältig. Mit ihrer Dreilinden gGmbH und mit der Frauenstiftung filia. Als Mitgründerin des Erbinnen-Netzwerkes Pecunia unterstützt sie zudem Frauen, die Vermögen gemeinnützig einsetzen möchten.

Wirksam Gutes tun: Porträt von Stifterin Ise Bosch und filia-Programm Managerin Claudia Bollwinkel. Ihre Erfahrung: Geben mit Vertrauen ist ihr Weg, die Welt wirkungsvoll zu verändern. In: Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Foto: Lucas Wahl

Nicht weniger als einen tiefgehenden Wandel in der Gesellschaft möchte Ise Bosch anstoßen: „Ich nutze meine Privilegien um Privilegien für alle zu schaffen.“ Transformative Philanthropie nennt sie ihren Weg, die Welt gerechter zu machen. Ihr Schlüssel dazu heißt: weniger Kontrolle und Vorgaben, sondern mehr Vertrauen. Aber was genau bedeutet das?

Fördern mit Vertrauen bringt mehr

„Wir gehen an die tiefer liegenden Ursachen von sozialer Ungleichheit und Diskriminierung heran“, erklärt Claudia Bollwinkel, langjährige Programm Managerin bei filia, das Fördermodell. Es geht darum, den Geförderten die Möglichkeiten zu bieten, teilzuhaben, zusammenzuarbeiten und Verantwortung zu übernehmen. Viele Stifter und Förderer unterschätzten die Ambitionen und Fähigkeit der Menschen und der Organisationen vor Ort; sie scheuen deshalb das Risiko. Ise Bosch frage hingegen nicht, ob ihre Förderung riskant ist. „Sie stellt diesen Umgang mit Risiko auf den Kopf, indem sie fragt: Wie groß ist das Risiko, mein eigenes Ziel nicht zu erreichen, wenn ich nicht fördere?“ Der Blick ist also auf eine langfristige Wirkung und Veränderungen gerichtet.

Der Erfolg gibt ihnen Recht. „Die Mehrheit der lokalen Organisationen, die filia auf diese Weise fördert, sind in der Lage, Machtverhältnisse zu verändern“, bestätigt Claudia Bollwinkel. Macht bedeutet hier: Die Geförderten werden handlungsfähig und können Einfluss nehmen. Und auch die Beziehungen zwischen denen, die das Geld geben, und jenen, die das Geld erhalten, verändere sich. „Macht wird wirklich geteilt und über Geld weitergegeben.“ Bei Ise Bosch heißt das: Die Macht des Geldes verwandelt sich in die Macht für viele.

Bedarfsgerecht fördern

Noch eine Erfahrung geben Bosch und Bollwinkel gerne weiter: Mitunter hätten geringere Beträge sogar einen größeren Effekt als höhere. Eine auf den ersten Blick verblüffende Erfahrung, die sie gemacht haben. Als Ursache dafür sehen sie, dass die Organisationen, mit denen sie arbeiten, meist viel Wissen und Professionalität versammeln. Was ihnen aber oftmals fehle, sei Geld. Bosch und Bollwinkel fördern deshalb bedarfsgerecht. „Wenn wir Förderpartner fragen, was sie benötigen, sind das meist operative Dinge, wie Büros, Computer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Und genau dafür bräuchten sie Geld. Am allerbesten sei es, Organisationen langfristig und ohne Vorgaben, ungebunden zu unterstützen. Denn dann könnten sie sich eigenständig eine solide Basis für ihre Arbeit schaffen. Empowerment im besten Sinne.

Buchtipp

Ise Bosch, Justus Eisfeld, Claudia Bollwinkel: Geben mit Vertrauen. Wie Philanthropie transformativ wird. Erschienen im Eigenverlag, 2018.

www.geben-mit-vertrauen.de

Wer sein Vermögen für eine gute Sache einsetzen möchte, sollte bereit sein, zuzuhören, sich persönlich einzubringen und durch diese Erfahrung verändern zu lassen. So schreibt es Ise Bosch in ihrem Buch „Geben mit Vertrauen“. „Ich lerne mit zunehmenden Alter immer mehr, wie divers die Welt ist, wie viele unterschiedliche Wege zum Ziel führen und wie viele Herangehensweisen richtig sein können. Das ist meine Ermutigung an alle, die sich einbringen möchten.“

Ungebunden und langfristig fördern

Welche Tipps hat sie konkret für alle, die mit dem Erbe einen guten Zweck unterstützen möchten? „Das eine ist das Thema Vertrauen. Wir drehen die Aussage ‚Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser‘ um. Wir sagen: Im Gegenteil. Man kann mit Kontrolle sogar Fortschritt verhindern. Insbesondere bei kleinteiliger, sozialer Förderung.“ Dass man Vertrauen braucht, um im sozialen Bereich eine Veränderung zu bewirken, sei ja nicht neu, ergänzt Ise Bosch. Es ist wohl die Haltung, die sich unterscheidet. Wichtig sei vor allem, „dass ich mich gedanklich in die Schuhe der Organisationen stelle und mir überlege: Was bedeutet es für sie, wenn ich sie nur ein Jahr fördere oder nur ein bestimmtes Projekt, und ihnen dann auch noch vorschreibe, wie sie es zu machen haben?“ Die wahre Expertise für das, was vor Ort geschehen soll, haben schließlich die Organisationen, denn sie seien die wirklichen Experten und nah dran, ist die Erfahrung von Ise Bosch. Ihr Rat an alle Förderer lautet deshalb: möglichst ungebunden fördern, also ohne starre Vorgaben und ohne Kontrolle. Und der andere Tipp? „Lange dabei bleiben!“

Frühzeitig über das Erbe nachdenken

Aus Sicht der Organisation unterstreicht Claudia Bollwinkel, wie wichtig das „Geben mit warmer Hand“ sei. Förderer hätten so die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen und eigene Schwerpunkte zu setzen. Mit dem „Anfangen“ sollten alle, die ihr Erbe verantwortungsvoll investieren möchten, nicht zu lange warten. „Ich empfehle, ein Vermächtnis zu entwerfen. Das ist der Zeitpunkt, an dem man sich die richtigen Fragen stellt: Was möchte ich hinterlassen? Wie soll an mich gedacht werden?“ Es gehe dabei um Geld, aber auch um Botschaften. Deshalb sei auch wichtig, mit den Kindern offen darüber zu sprechen. Wenn man Antworten auf diese Fragen gefunden hat, schließe sich nur eine Frage an: „Warum fange ich nicht jetzt schon an?“

Es sei eine schöne Perspektive, wenn man über das eigene Leben und Sterben nachdenkt, über sich selbst hinaus zu denken, bekräftigt Ise Bosch. „Da wird es weitergehen.“

Vertrauensvolle Organisationen finden

Diese vier Tipps helfen dabei, eine vertrauensvolle Organisation zu finden, die zu Ihnen passt:

Fragen Sie sich: Was will ich unterstützen?
Was ist Ihnen wichtig? Kinder? Gesundheit? Umwelt? Tiere? Armutsbekämpfung? Entwicklungshilfe? Suchen Sie sich das Projekt heraus, für das Ihr Herz schlägt.

Informieren Sie sich.
Das A und O vor jeder Entscheidung: Informieren Sie sich über die Organisation, die Sie bedenken möchten. Rufen Sie einfach an. Schauen Sie auf die Website. Fragen Sie Freunde und Verwandte nach ihren Erfahrungen. Folgende Merkmale weisen auf eine vertrauenswürdige Organisation hin:

  • Die Organisation ist von seriösen Institutionen ausgezeichnet. Sie trägt z.B. das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen DZI, das Siegel des Deutschen Spendenrats oder das Zeichen für Transparente Zivilgesellschaft und/oder wird durch einen anerkannten Wirtschaftsprüfer begutachtet.
  • Die Organisation ist als gemeinnützig anerkannt und kann das mit einem Freistellungsbescheid vom Finanzamt belegen (gilt immer für drei Jahre).
  • Die Organisation arbeitet transparent und veröffentlicht z.B. jährliche Tätigkeitsberichte, die Satzung und relevante Finanzdaten.

Fragen Sie nach.
Die Bereitschaft über die eigene Organisation oder ein konkretes Projekt Auskunft zu geben, ist ein wichtiges Kriterium für Seriosität. Als Unterstützer sollten Sie sich mit Fragen willkommen fühlen.

Achten Sie auf Wirkung.
Als Spender sollten Sie das (gute) Gefühl haben, dass Sie mit Ihrer Spende etwas bewirken können. Evaluationen und Analysen können darüber Auskunft geben, ob die Arbeit erfolgreich ist. Achten Sie daher darauf, dass die Organisation bzw. Stiftung über die Ergebnisse ihrer Arbeit berichtet.

Zum Weiterlesen

Ise Bosch: Besser spenden! Der Leitfaden für nachhaltiges Engagement richtet sich an alle, die sich mit Geld oder freiwilliger Arbeit für eine bessere Welt engagieren wollen. Klassiker und Evergreen. Erschienen bei C.H. Beck, 2007.

Interview: Anja Karrasch
Fotos: Lucas Wahl, Dreilinden gGmbH