Gartenarbeit: Erfüllung im Grünen
In der Erde zu wühlen, zu säen, den Pflanzen beim Wachsen zuzusehen – das tut Körper und Seele gut. Fleißige Gärtner werden mit Farben, Düften und selbstgeerntetem Obst und Gemüse belohnt. Wichtig sind dabei auch etwas Risikofreude und viel, viel Geduld!
Als durch den Corona-bedingten Lockdown der Chor und die Sportgruppe nicht mehr stattfinden konnten, hat sich Inge Knipp (Name geändert) in die Gartenarbeit gestürzt. Singen, Turnen und vor allem der Kontakt zu den anderen — alles das, was der 74-Jährigen so wichtig ist, war plötzlich nicht mehr möglich. Es blieb der Garten. „Da hab ich meine ganze Energie reingesteckt und konnte zumindest für eine Weile meine Ängste vergessen“, sagt Knipp.
Unkraut jäten, den Boden lockern, säen, gießen und dann schaut plötzlich der erste Keimling aus der Erde. Ein paar Monate später blüht alles, jedes Jahr ein bisschen anders. Und schließlich kann man selbst angebaute Tomaten und Zucchini, Johannisbeeren und Äpfel ernten. Auch wenn viele Hobbygärtnerinnen und -gärtner gerne mal über „die viele Arbeit“ stöhnen und es ihnen im Rücken zwickt, insgeheim wissen sie, dass Gartenarbeit eine Wohltat für Körper und Seele ist.
Höhere Lebenszufriedenheit
Der eigene Garten oder auch öffentliche Grünanlagen waren während des Lockdowns für viele Menschen die Rettung, bestätigt eine Studie der Hochschule Geisenheim. Von März bis Mai 2020 hatte ein Forschungsteam knapp 500 Personen mit und ohne eigenen Garten befragt. Diejenigen mit eigenem Garten – 53 Prozent der Befragten, die meisten von ihnen zwischen 40 und 60 Jahren – waren im Durchschnitt zufriedener mit ihrem Leben. Für die Hälfte von ihnen war der Garten im Corona-Jahr noch wichtiger geworden als ohnehin schon. Im Schnitt haben sie acht Stunden in der Woche hier gewütet. Hinzu kommt die Zeit, in der sie sich dort einfach nur erholen.
Insgesamt verbringen Hobbygärtnerinnen und -gärtner damit etwa doppelt so viel Zeit im Freien wie diejenigen ohne eigenes Grün. Das wirkt sich positiv auf den Vitamin-D-Spiegel aus, der wichtig für die psychische Gesundheit ist. „Laut aktuellen Studien ist das Risiko, an einer Depression zu erkranken, bei niedrigem Vitamin-D-Spiegel fast verdoppelt“, erklärt Catri Tegtmeier, Chefärztin an der Stadtklinik Bad Wildungen. Auch die körperliche Aktivität verbessert das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit erheblich, wie zum Beispiel eine Studie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim zeigt.
Gärten zum Mieten
Auch wer keinen eigenen Garten hat, kann gärtnern: In 19 Städten bieten zum Beispiel die „Ackerhelden“ vorbepflanzte, biozertifizierte Mietbeete an. Mit der Ernte werden bis zu vier Menschen satt. 40 Quadratmeter kosten für eine Saison von Anfang Mai bis Ende November 229 Euro.
Garten als Therapie
Die Bewegung an der frischen Luft, die Freude, die Erfolge und natürlich die wunderbaren Düfte, die einen in einem Garten umgeben, können sogar therapeutisch genutzt werden. In der Gartentherapie entsteht über das Arbeiten im Grünen der Zugang zu Menschen in schwierigen Situationen. „Durch Pflanzen, Natur und Gartenaktivitäten wird das Wohlbefinden positiv beeinflusst“, betont die Gartentherapeutin Susanne Büssenschütt.
Sie unterstützt Senioreneinrichtungen dabei, Therapiegärten einzurichten. Die körperliche Betätigung trainiert zum einen Ausdauer, Koordination, körperliches Wahrnehmen und Gleichgewichtssinn. „Hinzu kommt das Gefühl, eine Sinn bringende Tätigkeit zu verrichten, für die man Anerkennung bekommt. Das steigert das Gefühl der Zufriedenheit.“ Gartentherapie helfe sogar bei akuten und chronischen Schmerzen, denn Ablenkung lasse den Schmerz vergessen. Auch das Gedächtnis wird herausgefordert, meint Büssenschütt: „Die verschiedenen Pflanzen zu erkennen und zu unterschieden, auch über den Geruch, das ist ein gutes Training für das Gehirn.“
Egal, aus welchen Gründen man sich an die Gartenarbeit macht, wichtig ist, sich dabei nicht zu überfordern und in Stress zu geraten. So rät der Bio-Gärtner Charles Dowding in seinem Buch Gelassen gärtnern dazu, im Garten die eigene Kreativität zu entfalten und sich weniger von scheinbaren Regeln einschränken zu lassen. Sich die Freiheit zu nehmen, mit dem Garten so umzugehen, wie es einem selbst entspricht und am besten gefällt.
Mut zum Scheitern
Beim gelassenen Pflanzen und Pflegen hilft nicht nur das eigene Gefühl, sondern auch eine gewisse Risikofreude. „Gärtnern, das sollte man nie vergessen, ist ein ewiges Probieren und Studieren“, betont Frances Tophill in seinem Buch Lust auf Garten. Planen, pflanzen und entspannen. „Was in der Theorie funktioniert, kann in der Realität scheitern.“ Pflanzen seien Lebewesen, die ihren eigenen Kopf haben. „Jeder Garten ist anders, Pflanzen wachsen unterschiedlich schnell und Blüten öffnen sich manchmal zu unerwarteten Zeiten.“ Eine gute Übung in Geduld also.
Und am Ende des Tages, wenn man sich erschöpft den Staub von der Hose klopft, blickt man auf die getane Arbeit und weiß – die Mühe hat sich gelohnt.
Indoor Gardening
Auch in der eigenen Wohnung kann man sich einen Garten schaffen. Indoor Gardening heißt das Stichwort, unter dem man im Internet unzählige Treffer findet.
TEXT: Kristina Simons
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