Ratgeber

No. 21 – ENDLICHKEIT Für einen sterbenden Menschen da sein: Hände halten

Sterbebegleitung:
Den Blick aufs Leben schärfen

Einen sterbenden Menschen zu begleiten bedeutet vor allem, Anteil zu nehmen, zuzuhören, Trost zu spenden und kleinere Wünsche zu erfüllen. Doch eine ehrenamtliche Tätigkeit im Hospizbereich kann auch das eigene Leben verändern.

„Seit ich mich mit dem Tod und damit auch mit meiner eigenen Endlichkeit auseinandersetze, sehe ich vieles ganz anders“, stellt Johanna Klug fest. Sie war gerade 20, als sie anfing, ehrenamtlich auf einer Palliativstation zu helfen und Menschen am Ende ihres Lebens „schöne Momente zu schenken“, wie sie es nennt. Was als ein Ausgleich zum Studium begann, wurde immer wichtiger und veränderte die junge Frau. Schließlich ließ sie sich zur Sterbebegleiterin ausbilden.

„Die Geschichten sterbender Menschen haben mich sensibler gemacht und mir einen klaren Blick für das Wesentliche gegeben“, meint Klug, die über ihre Erfahrungen auch ein Buch geschrieben hat. Darin schildert sie einige dieser besonderen Begegnungen, die lange nachklingen. Vielen der Menschen, die sie bis zum Tod begleitet hat, fühlt sie sich bis heute nah. „Es ist, als ob mich diese Menschen durch mein Leben führen, mir Kraft und Halt geben.“

Sterbebegleitung braucht Ehrenamt

Mehr als 100.000 Ehrenamtliche engagieren sich in Deutschland in der Sterbebegleitung. Die meisten von ihnen sind für ambulante Hospizdienste tätig und suchen Sterbende und ihre Familien zu Hause, im Pflegeheim oder Krankenhaus auf. In stationären Hospizen dagegen werden sterbenskranke Menschen gepflegt, die zu Hause nicht ausreichend versorgt werden könnten. Laut Deutschem Hospiz- und Palliativverband (DHPV) gibt es hierzulande 1.500 ambulante Hospizdienste sowie etwa 250 stationäre Hospize für Erwachsene und 19 für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Hinzu kommen 340 Palliativstationen in Krankenhäusern. Das ehrenamtliche Engagement gehört nicht nur zum Konzept, es wird in diesen Einrichtungen auch dringend benötigt.

Für einen sterbenden Menschen da sein: etwas vorlesen

Gute Gründe für die Hospizarbeit

Gründe dafür, ehrenamtlich Sterbende zu begleiten, gibt es viele: Unterschiedliche Menschen, ihre Leben und Gedanken kennenzulernen, bereichert auch das eigene Leben. Die Begegnungen am Ende des Lebens können den Blick dafür schärfen, worauf es im Leben letztlich ankommt. Wichtiges lässt sich deutlicher von Unwichtigem unterscheiden. „Eine einzige Begegnung auf der Palliativstation kann grenzenloses Vertrauen schaffen, das mit anderen Menschen so nie möglich wäre“, beschreibt Johanna Klug die unverfälschten Gespräche, die sich hier ergeben.

Manchmal ist es auch die eigene Biografie, die jemanden zur Sterbebegleitung führt. Zum Beispiel, weil man bei einer schweren Krankheit selbst schon Beistand erlebt hat und diese Erfahrung weitergeben möchte. Oder auch, weil man sich in großem Schmerz alleingelassen fühlte und anderen etwas geben möchte, was man selbst gebraucht hätte. „Manchmal gelingt es auf diesem Weg, zu einem neuen Frieden mit dem Schicksal zu finden“, weiß die Diplompsychologin und Psychoonkologin Angela Reschke.

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Checkliste: Was muss ich beachten?

Doch bevor man sich für eine ehrenamtliche Tätigkeit im Hospizbereich entscheidet, sollte man sich zunächst die eigene Lebenssituation genau anschauen. Reschke hat eine Checkliste zusammengestellt, die bei der Entscheidung helfen kann. Beispielsweise sollte man sich fragen, ob man überhaupt genug Zeit hat. Für eine Tätigkeit in der Sterbebegleitung sollte man immerhin zwei bis fünf Stunden pro Woche einplanen.

Eine andere Frage: Passt das Thema Sterbe- und Trauerbegleitung zum jetzigen Zeitpunkt in das eigene Leben? Wird der Alltag in den nächsten ein bis zwei Jahren in ruhigen Bahnen verlaufen oder sind größere berufliche Projekte geplant? Erwartet man Lebensumbrüche wie Verrentung, Berufswechsel oder Elternschaft? Außerdem sollte man sich ehrlich fragen, ob man emotional gefestigt genug ist, um immer wieder Tod und Trauer mitzuerleben. Wer Zweifel hat, sollte das offen mit den Verantwortlichen in Hospizen oder bei Hospizdiensten besprechen.

Blühen und verwehen: Pusteblumen

Gut vorbereitet: die Ausbildung zur Sterbebegleitung

Um ehrenamtlich im Hospizbereich zu arbeiten, braucht man eine entsprechende Ausbildung. Denn schwerkranken Menschen in den letzten Wochen oder Monaten ihres Lebens beizustehen, ihnen Trost zu spenden, Rückhalt zu geben und Ansprechperson für individuelle Sorgen und Ängste zu sein, ist keine leichte Aufgabe. Sterbebegleitende müssen offen, respektvoll, wertfrei, zuverlässig und empathisch auf die Bedürfnisse der betreuten Personen eingehen. Sie dürfen keine Berührungsängste haben, weder mit Krankheit, Leiden und Tod noch im körperlichen Kontakt. Zudem müssen sich Sterbebegleitende abgrenzen können und sollten Trauer oder Wut nicht mit nach Hause nehmen. Wer in einem stabilen Umfeld lebt, kann möglicherweise belastende Erlebnisse besser verarbeiten.

Wegweiser Hospiz

Im Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin können Interessierte deutschlandweit nach stationären Hospizen, ambulanten Hospizdiensten, Palliativstationen und auch nach Bildungsangeboten suchen.

Die Ausbildung für eine ehrenamtliche stationäre Hospizarbeit dauert in der Regel mindestens 60 Stunden, für die ambulante Hospizarbeit sind es eher 80 bis 120 Stunden. Die Kurse sind sehr praxisnah, häufig gehört ein angeleitetes Praktikum dazu. Am besten besucht man Grund- und Aufbaukurs bei dem Träger, bei dem man anschließend auch tätig werden möchte. So können die zukünftigen Ehrenamtlichen die Einrichtung und ihre Mitarbeitenden schon während der Ausbildung kennenlernen und „zusammenwachsen“.

Zudem werden die Kurse von den Hospizvereinen mitfinanziert, so dass Ehrenamtliche lediglich rund 100 bis 300 Euro zahlen. Manche Hospizeinrichtungen erstatten den Teilnehmenden die Kursgebühren auch ganz, wenn sie für einen bestimmten Zeitraum in der Einrichtung tätig waren.

Wie bereichernd es sein kann, Sterbende zu begleiten, macht Johanna Klug deutlich. Denn statt den Tod zu tabuisieren, führt die Arbeit im Hospiz zwangsläufig dazu, dass man sich auch mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzt. Klug ist überzeugt: Gerade weil sie sich mit dem Tod beschäftigt, lebt sie ihr Leben “sehr viel intensiver und lebendiger als manch andere.“

Zum Weiterlesen

Johanna Klug:

Johanna Klug: Mehr vom Leben. Wie mich die Begleitung Sterbender verändert. Die junge ehrenamtliche Sterbebegleiterin erzählt von ihren Erfahrungen mit Sterbenden, von sehr direkten, wahrhaftigen Begegnungen mit Menschen, die ihr viel über das Leben zeigen. Erschienen im Kösel Verlag, 2021.

TEXT: Kristina Simons
FOTOS: Edyta Pawlowska / Photocase, cydonna / Photocase, Lumina / Stocksy, Chuttersnap / Unsplash, Kösel Verlag