Ratgeber

No. 13 - STERBEN Spirituelles Testament: Hände eines Mannes, zum Beten gefaltet. Symbolbild. Auch geistig-seelische Fragen sollte man rechtzeitig regeln: Wer soll bei mir sein, wenn ich sterbe? Wünsche ich besondere Rituale? Wie möchte ich bestattet werden? Lisa Freund hat dafür einen Fragebogen entwickelt. – In: Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Foto: Ira Ostafijchuk on Unsplash

Spirituelles Testament: Seelisch loslassen

Mit einem Testament regeln Menschen ihren Nachlass, mit einer Patientenverfügung medizinische Aspekte. Doch auch geistig-seelischen Fragen sollte man sich widmen: Wer soll bei mir sein? Wünsche ich besondere Rituale? Wie möchte ich bestattet werden? Lisa Freund hat dafür einen Fragebogen entwickelt.

Memento mori – „bedenke, dass Du sterben wirst“, mahnten die Mönche schon im Mittelalter. Doch wer beschäftigt sich schon gerne mit dem Tod? Dabei lohnt es sich, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen und sich innerlich darauf vorzubereiten“, sagt Lisa Freund, die seit 30 Jahren in der Hospizbewegung tätig ist und ehrenamtlich sterbenskranke Menschen begleitet. Sie weiß aus Erfahrung: „Wer sich seinen Ängsten und Unklarheiten stellt und mit sich und seinen Nächsten im Reinen ist, wird sich leichter tun, die Schwelle vom Leben zum Tod zu überschreiten.“

Viele kleine Schritte des Abschieds

Mit Blick auf den eigenen Tod wird die Verlustangst für viele absolut. Dabei gewöhnen wir uns bereits mit dem Älterwerden Schritt für Schritt an das Abschiednehmen, oft unmerklich: Im Alter lassen unsere körperlichen Fähigkeiten nach, auch unser Bewusstsein und unsere Sinneserfahrungen können sich trüben. Einige geben das Haus oder die große Wohnung auf, verkleinern sich, ziehen in eine Senioreneinrichtung und belegen am Ende ein Bett in der Pflegeabteilung. „Das ist ein Prozess, bei dem wir vom Leben loslassen, und es ist wichtig, ihn für sich positiv zu gestalten, ihn selbst in die Hand zu nehmen, solange das geht“, sagt Freund.

Das Loslassen findet auch in formellen Schritten statt, etwa wenn man Besitztümer verschenkt oder ein Testament aufsetzt und regelt, wer einmal was bekommen soll. Sich von Materiellem zu trennen, ist zugleich ein seelischer Abschied, bei dem man noch einmal seine Aufmerksamkeit auf die Dinge lenken kann. „Es ist eine Gelegenheit, sich daran zu erinnern, welchen inneren Wert sie für uns haben“, meint Freund. „Viele Gegenstände sind die Hülle für etwas, das wir persönlich damit verbinden.“

Zurückblicken und Loslassen

Auch die Vorsorge für den Ernstfall ist eine Übung im Loslassen. „Angesichts der bevorstehenden Auflösung unseres Körpers kann es hilfreich sein, sich mit möglichen Szenarien auseinanderzusetzen und dann zu entscheiden, was für einen selbst sinnvoll ist“, so Freund. Welche medizinische Behandlung möchte ich, welche auf keinen Fall? Wer soll für mich entscheiden? Dieser Wille wird in einer Patientenverfügung und in Vollmachten niedergelegt.

Spirituelles Testament: Schatten eines Fensterkreuzes auf einem Parkettboden. Symbolbild. Auch geistig-seelische Fragen sollte man rechtzeitig regeln: Wer soll bei mir sein, wenn ich sterbe? Wünsche ich besondere Rituale? Wie möchte ich bestattet werden? Ein Ratgeber. In: Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Foto: wronge57/Photocase.de

Wer das eigene Leben betrachtet, blickt zurück auf einen Reichtum an Erfahrungen, auf Krisen, auf Hoch-Zeiten und zahlreiche Wandlungen. Und nicht nur das: „Je öfter man sein Leben betrachtet, umso deutlicher wird, dass Rückblick nicht gleich Rückblick ist“, weiß Freund. „Der Blickwinkel, den Sie im jeweiligen Moment einnehmen, prägt die Erinnerung. Die Erinnerung ist nichts Konstantes, sondern jedes Mal leicht verändert.“ Wer sich bewusst macht, dass sich alles permanent wandelt, selbst die Erinnerungen an das eigene Leben, dem fällt vielleicht auch der Weg vom Leben in den Tod leichter.

Welche Rolle spielt Spiritualität für mich?

Um inneren Frieden zu finden, empfiehlt Lisa Freund, sich den existenziellen Fragen zu stellen und persönliche Wünsche für die letzte Lebensphase und den Abschied in einer Art „spirituellem“ Testament aufzuschreiben. Auch für Menschen, für die Religion und Spiritualität im Alltag keine Rolle gespielt haben, können diese Aspekte am Lebensende eine neue Bedeutung entwickeln. Daraus ergeben sich Fragen: Glaube ich, dass etwas von mir bleibt, wenn mein Körper nicht mehr da ist? Gibt es Rituale oder Symbole, die mir helfen? Und was folgt daraus für den Umgang mit meinem Leichnam?

Spirituelles Testament: Eine Frau hält nachts im Kreis einer Gruppe eine Kerze. Symbolbild. Auch geistig-seelische Fragen sollte man rechtzeitig regeln: Wer soll bei mir sein, wenn ich sterbe? Wünsche ich besondere Rituale? Wie möchte ich bestattet werden? Ein Ratgeber. In: Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Foto: SianStock/Photocase.de

Einfache spirituelle Praktiken, etwa Gebete, Mediationen, Mantras, können am Lebensende helfen, das Herz zu öffnen und weit werden zu lassen, meint Freund. Das müssen keine religiösen sein. Auch ein Text, ein Gedicht oder ein Musikstück, das einen berührt oder viel bedeutet, können beruhigen, trösten und Kraft geben. Wichtig ist, nicht nur das Richtige für sich selbst zu finden, sondern auch andere darüber zu informieren. In einem „spirituellen“ Testament lassen sich diese Wünsche festhalten: Wen möchte ich um mich haben, wenn ich sterbe? Möchte ich etwas vorgelesen bekommen oder ein bestimmtes Lied hören? Soll mein Leichnam eingekleidet und aufgebahrt werden? Wie möchte ich bestattet und verabschiedet werden?

Wünsche klären und zu Papier bringen

Um für die Hinterbliebenen Klarheit zu schaffen, empfiehlt es sich, seine Vorstellungen für den Abschied mit Datum zu unterzeichnen und gegebenenfalls bezeugen zu lassen. Wichtig: Diese Wünsche sollten nicht im Testament festgeschrieben werden, in dem der Nachlass geregelt wird, denn dieses kommt erst nach dem Tod zur Geltung. Damit die seelischen Bedürfnisse zum richtigen Zeitpunkt gelesen werden, bewahrt man sie am besten mit der Patientenverfügung auf. „Am Ende meines ‚spirituellen’ Testaments habe ich notiert: ‚Es ist auch in Ordnung, wenn die Dinge anders geschehen‘“, berichtet Lisa Freund. „Ein solcher Satz ist wichtig – für den Prozess des Loslassens.“

Fragebogen für das „spirituelle“ Testament

Wir können uns auf den Tod nur einstellen, indem wir uns bewusst mit ihm auseinandersetzen. In ihrem Ratgeber vermittelt Sterbebegleiterin Lisa Freund wichtiges Basiswissen und verbindet dabei praktische und emotionale Aspekte. Ein Auszug aus ihrem Fragebogen:

  • Gehören Sie einer religiösen oder spirituellen Gemeinschaft an?
  • Welche Wünsche haben Sie für die spirituelle Begleitung vor dem Tod? Wünschen Sie den Besuch eines Geistlichen, Gespräche, eine spirituelle Praxis oder besondere Rituale? Was soll auf keinen Fall passieren?
  • Gibt es Gebete, Texte, Musik, wichtige Sätze, die an Ihrem Bett gesprochen/gespielt werden sollen? Was möchten Sie nicht?
  • Wie soll mit Ihrem Leichnam umgegangen werden? Wünschen Sie eine besondere spirituelle Begleitung nach dem Tod? Wollen Sie eine Leichenwäsche und Einkleidung Ihres Leichnams? Was soll im Umgang mit Ihrem Leichnam auf keinen Fall passieren?
  • Gibt es Rituale, die nach Ihrem Tod am Totenbett vollzogen werden sollen? Dürfen die Angehörigen von Ihnen Abschied am Totenbett nehmen? Was wollen Sie nicht?
  • Gibt es besondere Wünsche für die Trauerfeier?

Lisa Freund: „Sterben können. Wie wir uns darauf vorbereiten – wie wir Abschied nehmen – wie wir Nahestehende begleiten.“ Erschienen bei Knaur MensSana, 2014.

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Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Ausgabe 13: STERBEN. USA. Brooklyn, NY. 2016: Eine weiße Gardine weht im Luftzug in einem Appartment. Symbolbild. Was wissen wir über das Sterben? Wie wollen wir sterben? Wie können wir uns vorbereiten? Was zählt am Ende wirklich und was bleibt, wenn wir nicht mehr sind? Foto: David Alan Harvey / Magnum Photos / Agentur Focus

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TEXT: Lars Klaaßen
FOTOS: Ira Ostafijchuk/Unsplash, wronge57/Photocase.de, SianStock/Photocase.de