Ratgeber

No. 21 – ENDLICHKEIT Den Blick nach vorn: Werte über den Tod hinaus weitergeben

Unendlich: Sechs gute Gründe für gemeinnütziges Vererben.

Das Lebensende bedeutet nicht, dass alles vorbei ist. Persönliche Werte lassen sich weitergeben. Jeder kann etwas hinterlassen, das ihm wichtig ist. Seinen Nachlass für einen guten Zweck zur Verfügung zu stellen, hat auch ganz praktische Vorteile.

1. Endlichkeit überwinden

Sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen, ist eine Herausforderung. Da kann es ein Trost sein zu wissen, dass andere da weitermachen, wo man selbst aufhören muss. Wer einer gemeinnützigen Organisation, einem Verein oder einer Stiftung einen Teil seines Nachlasses zukommen lässt, kann damit zielgenau in die Zukunft hinein wirken. So werden die eigenen Werte weitergetragen und man kann über den Tod hinaus die Welt ein Stück besser machen.

2. In guten Händen, auch ohne Kinder

Gerade Menschen ohne eigene Kinder suchen nach Möglichkeiten, ihr Erbe für etwas Gutes einzusetzen. „Die meisten Menschen, die sich an uns wenden, manche davon homosexuell, sind kinderlos. Sie wollen über ihren Tod hinaus unterstützen, was ihnen im Leben wichtig war und ist“, sagt Ralf Pütz, Leiter der Mittelvergabe bei der Deutschen AIDS-Stiftung.

Doch auch viele Menschen mit Kindern haben genug, um über die Familie hinaus etwas an die Gesellschaft zu geben. „Nicht selten sagen Menschen, die sich an uns wenden: ‚Ich habe viel Glück im eigenen Leben erfahren und möchte am Ende davon wieder etwas zurückzugeben‘“, erzählt Britta Cramer vom Team Privates Engagement des Vereins CARE Deutschland. „Wer zum Beispiel als Kind im Nachkriegsdeutschland ein CARE-Paket erhalten hat, möchte nun anderen helfen.“

Nachlass voller Werte: Bilder in einer Wohnung

3. Professionalität und Erfahrung

Was sollte man beachten, damit der letzte Wille einmal so umgesetzt wird, wie man es sich wünscht? Was sollte alles geregelt werden? Wen kontaktiert man in welcher Angelegenheit? Gemeinnützige Organisationen bringen viel Erfahrung mit ein und können professionell unterstützen. „Manche Menschen fragen sich beispielsweise, wer sich um ihren Hausrat kümmern wird“, sagt Britta Cramer. „Wir können in einem Gespräch vorab klären, was mit welchen Sachen geschehen soll.“ Bestimmte Dinge werden an Personen aus dem Umfeld weitergegeben, anderes für einen guten Zweck gespendet, etwa die Flüchtlingshilfe. So landet keineswegs alles unbesehen im Container, wie viele befürchten.

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Auch die Grenze zwischen ideellen und materiellen Werten muss manchmal ausgelotet werden, beispielsweise bei Büchern und Musikinstrumenten. „Gelegentlich gehören Kunstgegenstände zum Nachlass“, berichtet Ralf Pütz. „Auktionshäuser und andere Partner helfen uns dann, diese einzuschätzen und zu einem angemessenen Preis an Kunstfreunde weiterzugeben, die das Werk würdigen.“

4. Eine neutrale Institution außerhalb der familiären Konflikte

Der Tod eines geliebten Menschen ist für die Hinterbliebenen ein schwerer Schlag. In dieser Situation können unterschwellige Konflikte, die bis dahin verdeckt und vermieden wurden, plötzlich offen ausbrechen. Dann wird es besonders schwierig, das Erbe zu regeln. Ist eine Hilfsorganisation Teil der Erbengemeinschaft, steht sie als neutrale Institution außerhalb solcher familiären Konflikte und kann im besten Fall mit Professionalität und Fingerspitzengefühl die Situation entschärfen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist das offene Gespräch mit allen Beteiligten.

Gegebenenfalls kann eine Hilfsorganisation sogar bei Konflikten zwischen den Verstorbenen und ihren Familien einspringen. „HIV ist ein sensibles Thema, das noch heute zu Ausgrenzung führen kann. Sogar in der eigenen Familie“, sagt Pütz. So kommt es vor, dass die Deutsche AIDS-Stiftung beispielsweise auf Wunsch des Erblassers die Bestattungszeremonie organisiert. „Unsere Geschäftsführung hat auch schon mal die Grabrede gehalten.“

Nachlass voller Werte: die private Bibliothek

5. Das Testament vollstrecken

Wird eine Hilfsorganisation als Haupterbin eingesetzt, kann sie die Abwicklung des Testaments übernehmen und damit gegebenenfalls sogar den Testamentsvollstrecker bzw. die Testamentsvollstreckerin erübrigen. Ziel ist es, dafür Sorge zu tragen, dass der Nachlass unter den Erbenden sach- und ordnungsgemäß aufgeteilt wird. Allerdings: „Wenn schon im Vorfeld absehbar ist, dass es kompliziert wird, wird aus gutem Grund schon zu Lebzeiten im Testament ein Testamentsvollstrecker bestimmt“, gibt Britta Cramer zu Bedenken, „beispielsweise wenn Werte im Ausland oder ein Unternehmen Teil der Erbmasse sind oder wenn Streit in der Erbengemeinschaft wahrscheinlich ist.“

Ralf Pütz weist zudem darauf hin, dass Testamentsvollstrecker verpflichtet sind, zu prüfen, dass die im Testament gemachten Auflagen umgesetzt werden.

6. Erbschaftssteuer entfällt

Wer ein Erbe oder Vermächtnis antritt, das einen bestimmten Freibetrag übersteigt, muss hierfür Erbschaftssteuer entrichten. Dagegen sind Organisationen und Stiftungen, die vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt sind, von der Erbschafts- und der Schenkungssteuer befreit. Geht der Nachlass an eine solche, wird er zu hundert Prozent für den gewünschten Zweck verwendet. Doch letzten Endes, sagt Britta Cramer aus Erfahrung, seien ideelle Werte und die eigene Biografie ausschlaggebend, wenn Menschen sich für ein gemeinnütziges Vererben entschieden.

TEXT: Lars Klaaßen
FOTOS: Alpenfux / Photocase, Bonninstudio / Stocksy, Cara Dolan / Stocksy