Ratgeber

No. 7 – ZUKUNFT Ausmisten vor dem Tod: Kleiderbügel hängen aufgereiht auf einer Kleiderstange. Was wegwerfen? Was weitergeben? Wer seinen Besitz ordnet, hilft sich und Hinterbliebenen. Margareta Magnusson zeigt, wie es gelingt. – In: Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Foto: Julian Hochgesang on Unsplash

Ausmisten: Die Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen

Im Laufe eines Lebens sammeln sich eine Menge Dinge an – im Keller, auf dem Dachboden und in vielen Schränken, Schubladen und Regalen. Was davon brauchen wir wirklich? Was möchten wir bewahren, was weitergeben? Wer darüber nachdenkt, was über den Tod hinaus bleiben soll, der bringt auch Ordnung in sein Leben. Margareta Magnusson zeigt wie.

Siebzehnmal ist Margareta Magnusson umgezogen. Sie hat viel Erfahrungen damit, was man behalten und was man ausrangieren sollte, egal, ob man in eine neue Wohnung zieht, in ein anderes Land geht oder sich auf den eigenen Tod vorbereitet. Die letzten Dinge des Lebens ordnen – das musste Magnusson zum ersten Mal, als ihre Eltern starben, ein weiteres Mal im Todesfall ihres Mannes. Inzwischen ist die Schwedin selbst, wie sie angibt, „zwischen 80 und 100 Jahre“ alt. Die Frage, was man hinterlässt, wem und wie, betrifft nun ihre eigene Person – für Margareta Magnusson ein guter Anlass, über diese Herausforderung ein Buch zu schreiben.

Im Schwedischen gibt es dafür sogar ein Wort: döstädning. bedeutet Tod, städning heißt aufräumen. Der Begriff beschreibt, dass Menschen ausmisten, aufräumen und die Wohnung neu gestalten, um sich auf das eigene Ende vorzubereiten. Margareta Magnusson betont, dass dies keine traurige Angelegenheit sei, im Gegenteil: Den eigenen Besitz schon zu Lebzeiten zu verkleinern, biete eine schöne Gelegenheit, in Erinnerungen zu schwelgen. Außerdem ist die Schwedin überzeugt: „Je weniger Zeug man hat, desto mehr Zeit bleibt fürs Leben.“ Sie meint damit auch die Angehörigen, denen sie die schmerzliche Last des Ausmistens ersparen möchte.

Ausmisten vor dem Tod: Porträt von Margareta Magnusson. Die Schwedin gibt Tipps, wie man sich im Alter von überflüssigem Kram befreit. Denn je weniger Zeug man hat, desto mehr Zeit bleibt fürs Leben. – In: Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Foto: Stina Stjernkvist / TT / picture alliance

Je früher, desto besser

Meistens ist es ein Umzug, der einen zwingt, sich mit seinem Hab und Gut zu befassen. Das ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Denn was wir besitzen und wie wir damit umgehen, sagt viel darüber, wer wir sind. Mit unserem letzten „Umzug“, dem Lebensende, möchte sich aber kaum jemand befassen. Margareta Magnusson meint, je früher man sich dem Döstädning widmet, desto besser. Die Schwedin weiß aus eigener Erfahrung: „Früher oder später werden Sie das eine oder andere Zipperlein bekommen, und dann werden Sie froh sein, wenn Sie nicht mehr so viel um die Ohren haben wie früher und einen Haufen Krempel los sind, der Sie nur unnötig belastet hat.“

Das Prozedere kann sich zudem in die Länge ziehen. Nach dem Tod ihres Mannes zog Magnusson aus dem gemeinsamen Haus in eine kleinere Wohnung: „Das Leerräumen dauerte fast ein ganzes Jahr.“ Es sei gut, sich Zeit zu nehmen. Dabei solle aber nicht vergessen werden, das gewohnte Leben weiterzuführen und für sich selbst zu sorgen.

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Prinzip Apfelbaum. Magazin über das, was bleibt. Ausgabe 7: ZUKUNFT. Schwarzweiß-Aufnahme eines Astronauten, 1989 in Cape Canerveral, USA, die Hand zum Abschied ausgestreckt. Nach uns: Die Zukunft. Foto: © alex webb / Magnum Photos / Agentur Focus

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Erste Erfolge: mit Freunden und im Kleiderschrank

Sich zu sortieren und unnötigen Ballast abzuwerfen, wird einfacher, wenn man andere hinzuzieht: „Erzählen Sie Angehörigen und Freunden von Ihrem Vorhaben“, rät die Schwedin. Einerseits können diese helfen, schwere Sachen an einen anderen Platz zu tragen, oder Dinge mitnehmen, die nicht mehr gebraucht werden. Eine große Erleichterung sei es zudem, eine zweite Meinung einzuholen: „Ratschläge oder auch nur die Ansicht von jemandem, der in einer ähnlichen Situation ist oder jünger ist als Sie und die Dinge aus einer anderen Perspektive sieht, können hilfreich sein.“

Eine wichtige Frage ist außerdem: Wo fange ich an? Man sollte sich die ersten Schritte nicht zu schwer machen, meint die Autorin. „Ich wähle als erste Kategorie stets die Kleider. Für mich eine einfache Kategorie.“ Hingegen mit Fotos oder Briefen anzufangen, sei wenig ratsam: Zu viele persönliche Dinge hingen daran, für die man sich Zeit nehmen müsse.

Es geht um Gefühle

Wie Margareta Magnusson werden die meisten Menschen die letzten Dinge des Lebens nicht zuerst bei sich selbst, sondern bei anderen ordnen müssen. Daher empfiehlt die Autorin, die Eltern beizeiten auf das Thema anzusprechen: mit „Taktgefühl“, „möglichst behutsam und fürsorglich“. Egal, ob es um andere gehe oder um einen selbst, Döstädning bedeute mehr, als einfach Dinge wegzuwerfen: „Es geht um Gefühle!“ Wie viel von unserem Leben und unseren Gefühlen in den zu Hause angesammelten Gegenständen steckt, das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Während sich der eine am wohlsten in einer Wohnung voller Andenken und geliebter Objekte fühlt, löst das beim anderen Platzangst aus. Wer ausmisten will, kann von anderen lernen, deren Wohnung minimalistisch eingerichtet ist.

Dennoch wird es immer Gegenstände geben, die für andere belanglos, einem persönlich aber sehr wichtig sind. Solche Dinge packt Magnusson in ihre Wegwerfschachtel mit der Aufschrift „Privat: wegwerfen“. Die Autorin ahnt schon, dass ihre Kinder dort hineinsehen werden: „Sie können aber auch darauf verzichten.“

Wer wird den Krempel entsorgen?

Übrigens warnt die Schwedin davor, zu denken: „Ich habe keine Kinder, also brauche ich nicht auszumisten.“ Denn auch wenn es nicht die eigenen Kinder sind, „irgendjemand wird Ihren Krempel wegräumen müssen, wenn Sie einmal nicht mehr da sind. Und wer immer es sein wird, er wird es als eine Last empfinden“. Döstädning – das bedeutet nicht nur, sich selbst von unnötigem Zeug zu befreien, sondern genauso, andere zu entlasten. Und auch wenn es etwas Tröstliches hat, seinen Lieben etwas zu hinterlassen, gibt Magnusson zu bedenken: „Ein Mensch, der Sie liebt, möchte schöne Dinge von Ihnen erben, nicht Ihren ganzen Krempel.“

Tipps von Margareta Magnusson

Wer einmal die Wohnung eines Verstorbenen ausgeräumt hat, weiß, wie schmerzlich das sein kann. Margareta Magnusson ruft deshalb dazu auf, sich vorher von überflüssigem Kram zu befreien. „Je weniger Zeug man hat, desto mehr Zeit bleibt fürs Leben“, sagt sie. Und so geht’s:

  • Kleider, die nicht mehr passen, die selten oder nie getragen werden, können weg. Das ist mehr als man anfangs glaubt.
  • Bücher lassen sich schwer verkaufen. Laden Sie Freunde ein, um sie zu verschenken. Exemplare mit Widmungen noch einmal durchblättern – und dann auch weggeben.
  • Besteck und Geschirr benötigt man nur in dem Umfang, wie Gäste an den Esstisch passen.
  • Sammlungen aller Art (Stofftiere, Bilder etc.) lassen sich auf ein Lieblingsstück (oder wenige) reduzieren.
  • Fotos und Briefe lassen sich digitalisieren um Platz zu schaffen. Nicht unbedingt alle, eine Auswahl reicht, der Rest kann weg. Ein Scanner und ein Aktenvernichter helfen.
  • Bei Dingen, die vermutlich nicht nur persönlich von Wert sind, empfiehlt es sich, einen Gutachter hinzuzuziehen.
  • Ein Buch, in dem alle Internet-Passwörter aufgelistet sind, erleichtert es, Ordnung im digitalen Nachlass zu schaffen.

Margareta Magnusson: „Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen“. Erschienen im Fischer Verlag, 2018.

TEXT: Lars Klaaßen
FOTOS: Julian Hochgesang/Unsplash, Stina Stjernkvist/picture alliance/TT